Schattenprinz
eingeschlossen im Museum zu verbringen. Er weigerte sich, die Gräueltaten, die in der ganzen Stadt begangen wurden, mit seiner Anwesenheit zu beehren.
Gareth fand Trost in dem Gedanken, dass Adele sich bei ihm häuslich einrichtete. Trotz einer Unzahl an Unterkunftsmöglichkeiten in dem weitläufigen Gebäude hatte sie einen kleinen, schlichten Raum gewählt und sich mit ein paar Gegenständen umgeben. Vielleicht erinnerten sie sie an zu Hause. Sie wirkte zufrieden und dankbar und plauderte sogar zum ersten Mal auf, wie es schien, unbefangene Weise mit ihm, während sie gemeinsam den Schutt mazedonischer Objekte in den Korridor beförderten.
Nun beobachtete Gareth fasziniert, wie Adele eine Art Tee aus Kräutern zubereitete, die sie auf dem Museumsgelände gefunden hatte. Ihre Hände erstaunten ihn. Ihre Haut war so viel dunkler als sein alabasternes Fleisch. Und sie benutzte ihre Finger so mühelos für komplizierte Tätigkeiten. Er war wie hypnotisiert von ihrem anmutigen Tanz, als sie geschickt kleine Blätter von den Stängeln zupfte. Der Duft der Kräuter hing an ihren Fingerspitzen, die mit dem ätherischen Öl der Pflanzen beschmiert waren, und vermischte sich mit ihrem üblichen Geruch, um ein herbes, fast würziges Aroma zu erzeugen. Er atmete den berauschenden Duft ein.
Adele hörte Gareths tiefen Atemzug und sagte, ohne zu erschrecken: »Das ist Minze. Ich finde sie beruhigend.«
Das fasste er als Einladung auf und betrat den Raum, um sich neben sie zu stellen. »So viel Vorbereitung.«
»Hierzu braucht man nichts weiter als ein paar Blätter und ein wenig heißes Wasser«, meinte sie spöttisch. »Überhaupt nicht viel Arbeit. Es ist ja nicht so, als würde ich ein ganzes Bankett vorbereiten. Aber ich nehme an, für einen Vampir sieht es nach viel zu viel Mühe aus.«
Wasser kochte in einem Bronzehelm, doch sein Blick glitt erneut zu ihren Händen, als sie eine kleine Tasse bereitstellte. Sie waren so sanft, wenn sie mit einem Stück Porzellan hantierten, aber er hatte auch gesehen, wie sie diese Hände dazu benutzt hatte, so manchen Vampir zu erledigen.
»Wie ist es dir gelungen, die drei Vampire, die dich im Hof des Towers angriffen, ohne eine Waffe kampfunfähig zu machen?« Die Frage wirkte einfach genug. Doch Adele zuckte nur mit den Schultern und lächelte ihn an. Dann lehnte sie sich mit der Tasse heißen Kräuterwassers auf ihrer Matte zurück. Die Prinzessin würde nicht antworten. Gareth wusste, dass es keine weitere Unterhaltung geben würde. Er konnte sie beobachten, so viel er wollte, aber sie war entschlossen, ihren Tee zu trinken.
In Frankreich hatte die Prinzessin eine Sanftheit besessen – vielleicht hatten der Schock durch den Angriff und den Tod ihres Bruders sie dazu gebracht, Greyfriar zu brauchen, um nicht den Verstand zu verlieren. Das war vorbei. Nun war sie eine Kaiserin. Distanziert. Unnahbar. Geheimnisvoll. Gebieterisch. Sogar ihr Geruch hatte sich verändert. Während sie mit Greyfriar zusammen gewesen war, hatte sie süß geduftet, wenn auch von Angst gefärbt. Der Unterton von Angst war immer noch gegenwärtig, doch der vorherrschende Geruch war würzig und herb und trotzig. Es war ein Geruch, den er selten bei Menschen im Vampirterritorium wahrnahm, und so stark hatte er ihn erst bei sehr wenigen Menschen gerochen, ganz gleich wo. Es war berauschend.
Wenn Gareth das verängstigte Mädchen in Frankreich nicht mit eigenen, hinter seiner Maske verborgenen Augen gesehen hätte, würde er nie vermuten, dass diese Prinzessin jemals etwas anderes als ihr kaiserliches Selbst war. Das machte sie noch anziehender. Sie besaß ihre eigene Maske, wie es schien. Er sehnte sich danach, diese zarte andere Seite von ihr nur noch ein einziges Mal zu sehen.
Gareth schlüpfte aus dem Zimmer und hinunter ins Erdgeschoss und auf die Galerie, die zu der großen Kammer mit der gewaltigen Statue von Ramses, Adeles Vorfahr, führte. Eigenartig, dass es ihn dorthin zog. Die Vorstellung, während der Zusammenkunft des Clans Zeit mit Adele zu verbringen, erfüllte ihn mit freudiger Erregung. Die Feierlichkeiten würden tagelang anhalten und aus endlosen Stunden bluttrunkenen Imponiergehabes und Drohungen gegen die Menschen bestehen. Die Lords würden Dmitri ihre Treue schwören und versprechen zu kommen, wann immer er sie rief. Doch wenn die Herden des Königs versiegten, würden sich die aufgedunsenen Gäste torkelnd in den Himmel erheben und abreisen. Während der Zusammenkunft konnten
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