Schattenprinz
Gareth und Adele mit Muße durch sein Museumsheim spazieren. Endlich hatte der einsame Prinz von Edinburgh jemanden, mit dem er es teilen konnte.
Aber so sehr es ihn auch schmerzte, Gareth würde die betäubten, trägen Tage nach der Versammlung nutzen, um Adele aus London heraus und zurück aufs Festland zu bringen. Er würde sie in die Hände der menschlichen Untergrundbewegung übergeben, die ihn als Greyfriar kannte, und sie würde dafür sorgen, dass sie sicher nach Hause kam. Dann würde er nach Edinburgh zurückkehren und seine Anstrengungen gegen Cesare und die blinde Grausamkeit seines Volkes wiederaufnehmen.
Das Geräusch eines flatternden Vogels im Dachgebälk erregte seine Aufmerksamkeit. Sofort spürte er Kälte von oben heruntersickern und roch abgestandenes Blut in der Luft. Etwas bewegte sich auf den Granitschultern des großen Ramses, schlängelte sich um seinen massiven Kopf und glitt ins dämmrige Licht, das in Streifen durch die zerbrochenen Fenster fiel.
Flay.
Gareth machte sich leicht, stieß sich vom Boden ab und schwebte lautlos in die Luft empor. Er landete auf Ramses’ zerbröckelnder anderer Schulter und krallte sich mit den Klauen seiner linken Hand am Stein fest, während er mit der rechten die überraschte Flay an der Kehle packte.
»Wie kannst du es wagen!«, fauchte er sie an. »Hat Cesare dich geschickt? Ich könnte dich töten, wenn ich wollte.«
Die Kriegsführerin senkte mit Ehrerbietung den Blick. Sie war nicht gekommen, um ihn anzugreifen, sonst hätte sie zugeschlagen, bevor er sie gesehen hatte. Sie hatte Gareth ihr Leben in dem Moment überantwortet, in dem sie zuließ, dass er sie packte. Aber sie wusste genau, dass der Augenblick, in dem er sie vielleicht umgebracht hätte, verstrichen war. Anders als die meisten ihrer Art handelte Prinz Gareth selten aus Instinkt.
Gareth für seinen Teil hegte nicht den Wunsch, gegen Flay zu kämpfen. Während er keinen Zweifel daran hatte, dass er Cesare in einem fairen Kampf töten konnte – falls sich Cesare jemals auf so etwas einließ –, war es mit Flay eine andere Sache. Jeden Tag ihres langen Lebens war sie eine Kriegerin gewesen. Sie tat nichts anderes und scherte sich um nichts anderes. Er war ihr in Frankreich gewachsen gewesen, aber da hatte Flays Interesse auch darin bestanden, Adele gefangen zu nehmen, und nicht, sich mit Greyfriar einen langen Kampf zu liefern. Normalerweise hätte sie sich nicht von Gareth packen lassen, ohne zurückzuschlagen, Prinz hin oder her. Also war sie eindeutig mit einer Absicht gekommen.
Gareth lockerte seinen Griff. »Rede!«
»Ich bin nicht für Cesare hier. Ich bin wegen dir hier. Wenn du ihn aufhalten willst, musst du jetzt handeln.«
Gareth starrte sie an. Er versuchte zu entschlüsseln, was ihre Botschaft bedeutete. Wozu wollte sein Bruder ihn mit einer List verleiten?
Flay sah, dass der dunkle Prinz grübelte, und beharrte: »Dies ist keine Falle. Ich habe mein Leben riskiert, indem ich herkam. Du hättest mich töten können. Oder du könntest mich Cesares Rache aussetzen, falls du mein Angebot ablehnen solltest. Wenn du jetzt nicht handelst, wird er die Kontrolle über den Clan übernehmen. Wenn du mich darum bittest, werde ich Cesare verraten. Die meisten seiner Rudel würden mir auf deine Seite folgen. Aber du musst sofort handeln! Sobald er seinen Krieg beginnt, bleiben dir nur noch zwei Möglichkeiten – ihm zu dienen oder dich ihm entgegenzustellen. So oder so wird er gewinnen.«
»Die Lords werden jetzt nicht in den Krieg ziehen. Dazu sind sie zu fett und träge.«
»Der Angriff auf Bordeaux hat sie aufgerüttelt, und die Aussicht auf eine menschliche Allianz macht ihnen Angst. Sobald sie gefeiert haben, werden sie tun, was immer der König ihnen befiehlt. Und der König wird tun, was immer Cesare wünscht. Ich sage dir, Cesare wird seinen Krieg bekommen. Es sei denn, du bietest ihm die Stirn.«
Gareth ließ die Vampirin los und schwebte zu Boden. »Warum würdest du meinen Bruder meinetwegen verraten? Was bedeute ich dir?«
»Du bist der Thronerbe.« Flay rieb sich die Kehle. Dann glitt sie träge am nackten Oberkörper des Pharao nach unten. »Ich werde Cesares Armee zu deiner machen. Du kannst deinen Bruder töten und den Clan übernehmen. Lass mich dir helfen.« Sie umklammerte die breite Brust der Statue mit den Schenkeln und streckte eine schmale, kräftige Hand aus. »Lass mich dir dienen.«
»Dann willst ausgerechnet du, dass ich diesen Krieg
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