Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
durchbbohrten, so mühelos wie eine heiße Nadel, die durch Plastikfolie glitt. Sah einen Mann, dem das halbe Gesicht weggeschossen wurde; sein Schrei wurde mittendrin abgerissen. Der Gestank von verbranntem Fleisch und Kleidung mischte sich mit den Ausdünstungen des Meeres. Wo die Strahlen der Dru’hn in die Plattform einschlugen, glühte das rußige Metall auf wie angefachte Kohlen.
Er musste sich zwingen, nicht ständig zu Kirai hinüberzuspähen. Es tröstete ihn, dass er beständig das Zischen ihrer Waffe hörte.
Die Dru’hn knallten die Menschen ab wie Ungeziefer. Ihre Strahlen frästen sich durch die Deckungen der Terraner, verwandelten Eisenträger und Wracks in metallenes Konfetti. Und sie waren der Plattform gefährlich nah. Garlyn sah sie ausschwärmen. Es war unschwer zu erraten, was sie vorhatten: die Plattform einzukreisen, alles Leben darauf zu vernichten und sich dann das Schiff unter den Nagel zu reißen.
Beiläufig fragte er sich, ob es die Dru’hn kränkte, dass ihr Herr und Meister sie auf diesem sterbenden Planeten zurückgelassen hatte. Vielleicht war es seine Strafe für ihre Niederlage gegen den Geist des Meeres. Vielleicht waren sie ihm auch einfach nur egal; wo sie herkamen, gab es noch mehr von ihnen.
Er zielte auf den nächstbesten Dru’hn, verfehlte dessen Helmschädel nur knapp, feuerte wieder und schoss dem Ding den Waffenarm ab, dann riss er das Gewehr nach links, eröffnete das Feuer auf den nächsten Krieger und traf ihn in die Brust. Es schien den Blechkameraden wenig zu kümmern. Er hob den Waffenarm und zielte auf Garlyns Deckung. Garlyn reagierte sofort; er feuerte ein weiteres Mal, einen langanhaltenden Strahl, der die Nacht wie ein rotes Messer teilte und quer über den Dru’hn glitt, von dessen metallener Taille bis zu den leuchtenden Scanneraugen. Der Krieger geriet ins Straucheln, feuerte – und traf einen seiner Kumpane.
Garlyns Mundwinkel zuckte kurz, aber er hatte keine Zeit, sich zu freuen. Er nahm den nächsten Dru’hn ins Visier. Und den nächsten. Und den nächsten. Doch alles, was er erreichte, waren Kratzer in ihren Rüstungen. Sie waren zu schnell, zu wendig. Und seine Waffenladung schmolz mit jedem Schuss dahin.
Weitere Menschen starben. Ihre Schreie gellten durch die Nacht:
»Mein Arm! Mein Arm!«
»Jesus, Buddha und Allah, helft mir, oh Jesus, Buddha ...«
»Jenny! Jenny, steh auf! Verflucht, Jenny, tu mir das nicht an, steh auf, steh auf, bitte!«
Die aufsteigende Panik machte es schwerer und schwerer zu atmen, zusammen mit der verpesteten Luft, die seine Lungen füllte; sie wurde immer dichter von dem schwarzen Qualm, der von schwelenden Leibern aufstieg.
Viel zu viele Terraner waren bereits gestorben – und er konnte nicht erkennen, ob sie wenigstens einen einzigen Dru’hn vom Himmel geholt hatten.
Er konnte der Versuchung nicht widerstehen und blickte zu Kirai, die ihre Waffe mit beiden Händen umklammert hielt. Im rubinroten Blitzlicht ihres Laser sah er den Schweiß auf ihrer Alabasterstirn, das Zucken ihrer Wangenmuskeln. Sie blinzelte bei jedem Schuss, als fürchtete sie sich vor der tödlichen Macht ihrer eigenen Energiesalven. Sie war keine Kämpferin. Aber sie tat, was sie konnte.
Wieder fiel ein Mensch, ein dicklicher Mann mit Glatze. Dann eine junge Frau, kaum älter als Ki.
Garlyn versuchte, zu schlucken. Er wusste, Ruuli Kahn wollte ihn lebend – zumindest solange, bis er ihm die Helix und all ihre Geheimnisse übergeben hatte. Aber die Dru’hn hier konnten das nicht wissen. Sie würden ihn ohne zu zögern kalt machen, genau wie Parkers Leute. Genau wie Kirai.
Zum tausendsten Mal verfluchte er Heska dafür, dass er ihm von dem löchrigen Nanoschild auf seiner Haut erzählt hatte. Ohne dieses Wissen wäre er mutiger gewesen, auch wenn es ihn nicht vor dem Tod bewahrt hätte. Er dachte an Rick und die anderen, die immer noch nicht auf seine Nachrichten geantwortet hatten, und was das bedeuten konnte.
Ein Schuss peitschte dicht an dem Shuttle vorbei, er hörte Ki erschrocken ächzen, sah, wie sie verwirrt blinzelte, ungläubig darüber, noch am Leben zu sein.
Garlyn sah zur Vago , die noch immer neben der Plattform schwamm, leblos, antriebslos.
Zu Beginn hatte er noch gehofft, Kowalski würde das Schiff jede Sekunde wieder flott kriegen. Dass sie ihnen die Dru’hn mit Schild und Waffen vom Leib halten würde.
Doch er ahnte, dass diese Hoffnung vergebens war.
Es ist meine Schuld! , dachte Linda Kowalski, während sie
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