Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
in der Enge des Wartungsschachtes unterhalb des Reaktorturms lag und an den Eingeweiden des Schiffes herumschraubte. Alles meine Schuld!
Sie biss auf die Kugelschreiberlampe zwischen ihren Zähnen, und versuchte, den Gestank von verbrannten Aggregaten zu ignorieren, der in ihrer Nase und Lunge kratzte. Der Schweiß ließ ihr den Inkortexschrauber fast aus den glitschigen Händen gleiten, während sie Abdeckungen öffnete und Kabel löste.
Dort draußen starben Menschen und es war ihre Schuld! Der verfluchte Energie-Bypass war durchgeschmort und hatte dabei drei Verteileraggregate hochgehen lassen. Die Eiskristalle im Herzen des Reaktors waren noch aktiv – natürlich waren sie das! –, aber das nutzte ihnen wenig, wenn sie die Energie der Dinger nicht abzapfen konnten.
Sie hätte es vorhersehen müssen, hätte einen weiteren Bypass für den Notfall legen müssen – aber es war zu lange her gewesen, dass sie an einem syndolonischen Eiskristallreaktor gearbeitet hatte, und sie hatte nur weg gewollt, weit, weit weg von diesem Scheißplaneten.
Jetzt zahlten ihre Leute den Preis für ihre Nachlässigkeit. Ihre Freunde. Ihr Boss.
Ihre einzige Chance, die Maschine wieder in die Luft zu kriegen, war das Legen drei neuer Verteilerpunkte zum Reaktorkern. Dazu brauchte sie wenigstens zwei Meter an Q3-Kabeln und einen Phasenmodulator – die sie nicht hatte. Also musste sie improvisieren. Vielleicht konnte sie aus einem der sekundären Systeme passende Teile abzwacken, den Hitzetauschern oder den Schildgeneratoren. Aber das würde zusätzliche Zeit kosten ...
Geh ab, du verfluchtes Mistding, geh ab!, herrschte sie in Gedanken eine Sicherheitsklemme an, während sie versuchte, diese mit flattrigen Fingern zu lösen. Sie stieß einen frustrierten Schrei aus. Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln. Meine Schuld ...!
Die Nacht brannte vor Energiefeuer; das Aufblitzen roter und violetter Strahlen hinterließ irritierende Nachbilder auf der Netzhaut seines linken Auges, während das zugeschwollene rechte schmerzhaft pulsierte.
Es war falsch, alles falsch, dachte Jefferson Kendall Parker.
All die Jahre, die er der Firma gewidmet hatte, all seine Bemühungen, seine Kämpfe und Entbehrungen, um den heiligen Hallen des Vorstands näher zu kommen – all das war verschwendet gewesen.
Er hätte bei Natasha bleiben sollen, bei seinen Kindern. Er wusste nicht, wann er sie das letzte Mal gesehen hatte, leibhaftig gesehen, nicht durch einen Holoschirm. Ihre Stimmen gehört. Sie in den Armen gehalten.
Ich tue es für euch , hatte er Natasha immer wieder erklärt, wenn sie ihm vorwarf, rot vor Wut und mit Tränen auf den Wangen, dass er sich in seiner Arbeit vergrub.
Ich tue es für euch.
Er hatte sie belogen. Er hatte es allein für sich getan. Für sein Ego, seinen unstillbaren Hunger nach Anerkennung. Und wofür? Um jetzt auf dieser Rotzkugel zu enden, inmitten von Menschen, die nach all den Tagen seine Freunde geworden waren.
Er hätte bei ihr bleiben sollen; bei seiner Familie. Er hatte Natasha belogen, er hatte sich selbst belogen. Und den Jungen.
Er hatte ihm gesagt, Schiffe der Interstar wären mit Sicherheit unterwegs. Dabei war er sich nach all der Zeit sicher, dass sich die Firma einen Dreck um ihn und seine Leute scherte. Es würde keine Hilfe eintreffen, weder jetzt noch irgendwann. Sie waren auf sich allein gestellt.
Und seine Leute starben. Er hätte alles dafür gegeben, sie zu retten. Mit ihnen zurück nach Hause zu fliegen.
Aber das Universum war hart, Wünsche gingen nicht in Erfüllung.
Und seine Leute starben.
Das Schiff war noch immer tot. Zwölf Menschen lagen als rauchende Kadaver auf dem Boden der Plattform. Nur eine Handvoll Dru’hn war gefallen – und sein Gewehr war leergeballert, nutzlos.
Sie konnten nicht gewinnen. Und jede Sekunde, die verstrich, brachte sie der Auslöschung näher.
Garlyn sah auf die Helix. Dachte an die Dinge, die der Geist des Meeres ihm gesagt hatte. Er wusste, was er zu tun hatte – aber er wusste nicht, ob er genug Zeit hatte. Ob es funktionieren würde. Ob es sie retten konnte.
Aber er sah keine andere Chance. Er warf sein Gewehr weg und krempelte den silbernen, rechten Ärmel zurück.
»Ki! Gib mir Deckung!«
Sie sah nicht zu ihm, sondern feuerte weiter in den Himmel. »W-Was hast du vor?«
»Versuchen, uns zu retten.«
Erst jetzt drehte sie sich zu ihm, ihre wunderschönen Augen blickten verwirrt und ängstlich. »Was? Wie?«
»Vertrau mir,
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