Schattenschwestern - Feehan, C: Schattenschwestern - Conspiracy Game
begriff, dass sie in seinem Innern war. »Er will kein Mitleid.«
»Nein, um Himmels willen, bloß das nicht. Er würde mich erschießen. Aber er besteht darauf, das Bad zu kacheln. «
»Er muss es tun, Jack«, sagte Briony, die sich deutlich an die Verzweiflung in Kens Augen erinnerte. »Er braucht es.«
»Ich weiß. Ich sage nichts, aber an manchen Tagen fällt es mir verflucht schwer.« Jack warf sie auf das Bett und beendete das Thema, denn wenn sie weiterhin darüber redeten, würde er weinen wie ein Baby. »Bevor ich heute Morgen aus dem Haus gegangen bin, habe ich in der Kommode die beiden obersten Schubladen freigeräumt, und im Kleiderschrank ist jede Menge Platz. Denk daran, dir das zweite Schlafzimmer gut anzusehen, damit du mir sagen kannst, wie du es für das Baby hergerichtet haben möchtest.«
»Ja, das tue ich gern.«
»Und halte dich bloß von dem Badezimmer fern. Ich will dich nicht in der Nähe des Fliesenschneiders sehen.«
»Jack.« Briony fuhr das Muster der Tagesdecke nach und sah auf all die bunten Tüten, von denen sie umgeben war. Ihre Finger schlichen sich zu ihrem Ohrläppchen und glitten über die feurigen Rubine, bevor sie sich auf ihre Kehle legten. »Du kannst mich nicht herumkommandieren, ganz gleich, wie charmant du bist.«
Einen Moment lang wirbelte Schmerz in den Tiefen seiner Augen. Sie bekam den Kummer mit, der in ihm aufwogte. Er wandte sich von ihr ab und öffnete die Schranktür. »Ich habe dir doch gesagt, dass es nicht leicht sein wird, mit mir zu leben.«
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Briony stirnrunzelnd, während sie versuchte zu erfassen, was er nicht sagte. Sie sank auf die Bettkante. »Ich bin eine erwachsene Frau, Jack.«
Er warf ihr über seine Schulter einen Blick zu, rieb sich die Schläfe und seufzte. »Ich bin ein Kontrollfreak, Bri. Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass wir hier leben, so weit weg von allen anderen. Deshalb arbeite ich auch vorwiegend allein. Ich ziehe allein los und habe die Situation unter Kontrolle. Wenn ich mit einem Team arbeite, dann unter meiner Führung. So bin ich nun mal.«
»Das ist mir nicht gerade neu, Jack«, hob Briony hervor. Sie zog Kleidungsstücke aus den Tüten und begann Etiketten zu entfernen. »Das ist noch lange keine Entschuldigung dafür, mir meine Rechte als Erwachsene abzusprechen. Du kannst mir nicht das Recht streitig machen, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Kontrolle ist ohnehin eine Illusion. Niemand kann einen anderen Menschen unter Kontrolle haben.«
»Ich reiße möglichst viel Kontrolle an mich, und das trägt dazu bei, dass niemandem etwas zustößt.«
»Du traust dir selbst nicht.«
»Nein. Ich habe schon vor langer Zeit begriffen, dass ich nicht so denke oder reagiere wie andere Menschen. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, könnten Dinge schiefgehen.«
Briony beschäftigte sich damit, Kleidungsstücke in die Schubladen einzuräumen, und bemühte sich gleichzeitig zu erfassen, was er ihr damit sagen wollte. Jebediah, Ken und jetzt auch noch Jack persönlich warnten sie vor etwas an Jack, was sogar er selbst fürchtete. Sie drehte sich um und sah ihm ins Gesicht. Was auch immer es war, er fürchtete es mehr als die Kugel eines Scharfschützen.
»Ich glaube nicht, dass du mir jemals wehtätest, Jack. Ich glaube es wirklich nicht. Dazu bist du gar nicht fähig. Ist es das, wovor du dich fürchtest?«
Er sah sie an, und etwas regte sich in seinen Augen. Schmerz? Kummer? Quälende Furcht? Sie konnte das Gefühl nicht identifizieren. »Ich weiß es nicht«, antwortete er aufrichtig und beschämt.
Sie ging zu ihm und nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Ich aber. Erinnerst du dich noch an Luther? Er hatte kein Problem damit, mich zu schlagen. Ich habe ihn in Wut versetzt, und er hat mich geboxt. Er hat mich nicht geohrfeigt. Er hat nicht versucht, mich zurückzuhalten, er hat mir einen Fausthieb versetzt. Vielleicht wäre es etwas anderes, wenn ich deine Feindin wäre …«
Er packte ihre Handgelenke und zerrte daran, presste sie fest an seine Brust. »Genau das ist es, Kleines. Genau das.« Er ließ ihre Hände sinken und ging aus dem Zimmer. Sie hörte die Tür zuschlagen, als er das Haus verließ.
Briony stieß den angehaltenen Atem aus und sank verwirrter denn je auf das Bett zurück.
Das flüchtige Anklopfen verblüffte sie nicht; sie wusste bereits, dass Kens stämmige Gestalt den Türrahmen ausfüllte. »Alles in Ordnung mit dir?«
Sie nickte.
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