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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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einmal wieder daran gewöhnen müssen, sie nicht ständig an meiner Seite zu haben.
    Ich schob das Fahrrad noch ein ganzes Stück durch das Villenviertel, in dem Lenas Familie lebte. Hier gab es immer etwas zu sehen: ausgefallene Sportwagen, riesige Tore mit steinernen Löwen an der Seite und moderne Architektur, wie man sie ansonsten nur in den Journalen im Wartezimmer des Zahnarztes zu sehen bekam. Schon bald wurde es mir allerdings zu warm für Sightseeing und ich stieg aufs Fahrrad, in der Hoffnung auf einen kühlen Lufthauch. Stattdessen standen mir schon ein paar Straßen weiter Schweißperlen auf der Stirn. Der Sommer machte offensichtlich noch einmal richtig ernst. Glücklich über den Berg, der in die Innenstadt hineinführte, ließ ich das Rad ausrollen. Fast hätte ich dabei den Jungen übersehen, der mit nacktem Oberkörper und baumelnden Beinen auf einem Stromverteiler saß und an einem Stieleis leckte. Dafür legte ich bei seinem Anblick eine derart scharfe Bremsung hin, dass ich ins Schlittern kam und erst knapp vor dem Verteiler anhielt.
    »Was zum Teufel machst du hier?«, fuhr ich Ranuken an, sobald ich mich einigermaßen von dem Schrecken erholt hatte.
    Der Junge zog die buschigen Brauen hoch. »Eis essen?«
    »Du weißt genau, was ich meine.« Ohne darüber nachzudenken, zog ich meinen dünnen Pulli aus dem Fahrradkorb und hielt ihn Ranuken hin. Er reagierte nicht. »Na los, anziehen! Du kannst hier nicht nur in Lederhosen rumsitzen und die Leute mit deinen Tattoos schockieren - also echt.«
    »Das sind keine Tattoos, als Sams Freundin solltest du das eigentlich wissen. Außerdem ist es verdammt heiß.«
    Mit zusammengekniffenen Lippen drückte ich ihm den apfelgrünen Pulli in die Hand. Endlich nahm er ihn und streifte ihn sich über, nur, um sogleich an dem dünnen Stoff herumzuzupfen. Vermutlich hatte er seit einer Ewigkeit kein Oberteil mehr getragen.
    »Mann, so, wie du dich aufführst, könntest du eher Sams Schwester sein. Du hast nämlich den gleichen Kommandoton drauf wie er.«
    »Ich hör mit dem Kommandoton auf, wenn du diesen komischen Akzent ablegst. Willst du mich veralbern?«
    »Nein, so rede ich halt.« Er kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. Dann bemerkte er, dass ihm geschmolzenes Eis über die Finger lief und leckte es schnell ab. Anschließend hielt er es mir hin. Blaues Kaugummieis - igitt. »Auch mal?«
    Ich schüttelte den Kopf, bemüht, die Nase nicht zu rümpfen, denn Ranukens Finger waren schwarz vor Dreck. Stattdessen versuchte ich aus seiner Antwort schlau zu werden. »So hast du bei unserem letzten Treffen in der Sphäre aber nicht geklungen. Ich kann deinen Akzent nicht einmal zuordnen, das klingt einfach völlig abgedreht.«
    Ranuken kämpfte noch kurz mit seinem Eis, dann seufzte er. »Sieht ganz so aus, als ob der Sprachzauber der Sphäre nach dem Wechseln leicht verblasst.«
    Ich starrte ihn mit großen Augen an, eine ältere Frau ignorierend, die mich von der Seite anfauchte, weil ich ihr mit meinem Fahrrad den Weg versperrte. »Sprachzauber?«
    »Sag bloß, du hast dich nicht gewundert, dass du so großartig mit Shirin plaudern konntest? Was denkst du, wie alt sie ist und aus welchem Land sie ursprünglich stammt? Wahrscheinlich gibt es das schon seit Jahrhunderten gar nicht mehr auf der Landkarte. Na ja, jedenfalls können wir uns in der Sphäre alle wunderbar miteinander unterhalten, aber hier ist das anscheinend schwierig. Der arme Kastor bringt seit dem Wechsel kein verständliches Wort über die Lippen, obwohl er alles versteht. Ist keine vernünftige Unterhaltung möglich mit ihm, es sei denn, du kannst Griechisch. Nicht dieses Zeug, das sie da heute sprechen. Sondern das von früher.«
    »Du hast noch eine andere Schattenschwinge mit hierher gebracht?« Ich konnte es kaum fassen. »Bis gestern hast du noch nicht einmal gewusst, welche Pforte dir zur Verfügung steht.«
    Erneut hielt Ranuken mir das nun fast schon aufgegessene Eis hin, in dem ich Spuren von seiner Zunge erkennen konnte. Dieses Mal zog ich angewidert die Nase kraus, was ihn jedoch nicht weiter zu beleidigen schien.
    »Ich habe die halbe Nacht lang Bäume umarmt, bis ich eine Birke gefunden habe, die sowohl hier als auch in der Sphäre steht. Kastor hat mir geholfen, dann hat er an einem verabredeten Ort ein Feuer entfacht, dort, wo ein unbeaufsichtigtes Feuer keinen Schaden anrichten kann. Na, und ich hab hier eins gemacht. Seine Pforte ist nämlich das Feuer, gar nicht so einfach für

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