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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Gedankenübertragung mit. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie viel Zeit verstrichen war, seit die letzte Schattenschwinge vor Sam in die Sphäre gewechselt war. Einige Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte? Wenn ich mir allein vorstellte, welche enormen Fortschritte die Technik gemacht hatte und mit welchem Tempo sie voranschritt, wurde mir schon ganz schwindelig. Wie musste es da jemandem wie Kastor gehen, der, wenn mich nicht alles täuschte, zu einer Zeit zur Welt gekommen war, als die größten technischen Errungenschaften in Tempelbauten, Kanälen und Brücken bestanden? Eine Epoche jenseits von piependen Elektrokisten und Flugzeugen am Himmel. Dafür sah er erstaunlich locker aus, genau wie Ranuken, der sein Stieleis geleckt hatte, als kenne er in Fabriken hergestellte, gefrorene Milchprodukte schon von Kindesbeinen an. Was definitiv nicht sein konnte, wenn ich mit meiner Einschätzung richtig lag und der Kerl aus dem Mittelalter stammte. Wenn ich Sam heute Abend sah, würde ich ihm ein Loch in den Bauch fragen.
    Neben mir räusperte sich Ranuken. »Kastor sagt, deine Frage hätte mehr darauf abgezielt, wie es ist, wieder einmal hier zu sein. Na ja, weil das mit der Anfasserei sich nicht so angefühlt hat, wie wenn ich dich in der Sphäre berührt hätte.« Ranuken schloss für einen Moment die Augen, als würde es ihm dadurch leichter fallen, sich auf die fremde Stimme in seinem Kopf zu konzentrieren. Sobald er die Lider wieder anhob, zog er einen Flunsch. »Das klingt zwar übertrieben, aber Kastor meint, erst die Sterblichkeit würde dem Dasein einen Sinn verleihen. Er hätte vergessen, warum die Menschen so umtriebig sind und immerzu irgendwas tun müssen. Wenn das Leben nur eine kurze Spanne hat, lässt man es eben nicht im Schatten eines Olivenbaums vergehen. Olivenbaum … so was fällt auch nur Kastor ein.«
    Sprachlos starrte ich den jungen Mann mit den flammend roten Augen an. Zu meiner Erleichterung war seine Aufmerksamkeit gerade von einem Cabriolet gefesselt, das auffällig langsam an uns vorbeifuhr. Der Fahrer, ein Tourist mit Sonnenbrand, wirkte wie ein hypnotisiertes Kaninchen. Vermutlich war ihm Kastors Augenfarbe ebenfalls nicht entgangen. Er konnte von Glück sagen, dass die Straße in der Hitze des Nachmittags leer dalag, sonst wäre ihm bestimmt jemand hinten reingerauscht. Anscheinend war die Aura meiner beiden neuen Freunde doch nicht zu unterschätzen und nur ich durch die Nähe zu Sam so abgebrüht, dass mich diese zwei Exemplare nicht mehr schocken konnten.
    »Es ist sicherlich das Beste, wenn wir uns jetzt einen netten, ruhigen Ort suchen, wo man ungestört ein Lagerfeuer anzünden kann. Vielleicht in der Nähe von Ranukens Wechsel-Birke?«, schlug ich vor.
    Von Kastor kam wie erwartet ein zustimmendes Nicken, während Ranuken nervös von einem Bein aufs andere trat. »Wir sind doch gerade erst gekommen«, setzte er ausweichend an. Als das rote Cabriolet jedoch zum zweiten Mal im Schneckentempo an uns vorbeifuhr und der Fahrer hemmungslos sein Fotohandy zückte, gab er mit einem Seufzen nach. »Okay, wie ihr meint. Aber ich möchte noch einmal betonen, dass ich jederzeit wieder hierher wechseln kann. Wann und sooft ich will.«
    Im letzten Moment konnte Kastor ihn noch davon abhalten, den Eisstiel nach dem neugierigen Fahrer zu werfen, der vermutlich auch diese Geste nur staunend hingenommen hätte. Sollten sich künftig tatsächlich mehr Schattenschwingen in St. Martin herumtreiben - und es sah ganz danach aus, wenn ich mir Ranukens Gesicht, das sich angesichts der bevorstehenden Rückkehr verdüstert hatte, so ansah -, würden uns noch einige lustige Erlebnisse ins Haus stehen. Soviel stand fest.

28
    Sphärenwechsel
    Ranukens Laune besserte sich erst, als ich ihm anbot, mein Fahrrad zu schieben. Schon bald war er vollauf damit beschäftigt, alles und jeden zu kommentieren und nur mit vereinten Kräften konnten wir ihn davon abhalten, einen Süßigkeitenautomaten von seiner Halterung zu rupfen und unterm Arm mitzunehmen. Als wir endlich den kleinen Stadtpark am Fuß der Steilklippe erreichten, war ich froh, unter das schattige Laubdach schlüpfen zu können. Ich sehnte mich nach einem riesengroßen Glas Wasser und einer Dusche. Außerdem würde es für die beiden Jungen bestimmt angenehmer sein, nicht länger mit ihren bloßen Füßen über die heißen Pflastersteine zu laufen, auch wenn sich bislang keiner von ihnen darüber beschwert hatte. Vermutlich waren sie immun gegen Hitze, so

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