Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen
den irren Haaren hat es mir erzählt. Ich glaube, sie wollte es eigentlich diplomatischer anstellen, als ich sie nach dir gefragt habe. Aber Rufus’ Anwesenheit hat sie wohl etwas aus dem Konzept gebracht.«
Ja, jetzt schuldete Lena mir wirklich etwas. »Falls es dich beruhigt: Man kann nichts mehr riechen. Du duftest schon wieder nach Maiglöckchen.«
Unverwandt starrte ich Sam an. Das Leuchten, das von ihm ausging, war so stark wie nie zuvor. Es war wundersam und ließ mich einen Augenblick lang meine Verliebtheit vergessen. Gleichzeitig verspürte ich zum ersten Mal einen Anflug von Traurigkeit angesichts dieses Leuchtens. Es entfremdete mir Sam, machte ihn zu einem anderen. Früher hatte es mich nicht gestört, ihn für ein Wesen von einem anderen Stern zu halten, aber jetzt wollte ich ihn nirgendwo anders haben als an meiner Seite.
Es kostete mich viel Konzentration, um den realen Sam hinter dem Leuchten zu sehen. Auch der strahlte mich an, jedoch auf eine gänzlich andere Weise. Sein Gesicht war durch die Tage im Freien braun gebrannt, sodass seine Meeraugen regelrecht schillerten. Das hellblau gestreifte Hemd hing lässig über der Jeans und war an den Ärmeln ein Stück aufgekrempelt, sodass ich die blonden, seidig schimmernden Haare auf seinen Unterarmen betrachten konnte, während er sich hinter dem Ohr kratzte. Fast hätte ich die Hand gehoben, um herauszufinden, wie sie sich anfühlten. Dann riss ich mich zusammen und sah mich hilfesuchend im Raum um. Mein Blick fiel auf die drei am Tisch, die ihre Matheübungen vergessen hatten und zu uns herüberstarrten.
»Wir haben getauscht«, sagte Sam und deutete mit dem Kopf in Richtung Bjarne. »Zuerst war er etwas zickig, als ich ihm den Vorschlag gemacht habe, aber letztendlich hat er nachgegeben. Schließlich zahlen die Zwillinge ja auch fast das Doppelte. Mit Zahlen bekommt man Bjarne immer.«
Augenblicklich bekam ich ein schlechtes Gewissen. »Wenn die Nachhilfe bei den Zwillingen dir mehr bringt, wären meine Eltern sicherlich mit einer Erhöhung einverstanden.«
Sam wartete, bis ich mich an einen freien Tisch gesetzt hatte, dann setzte er sich mir gegenüber. Mein Vorschlag hing immer noch im Raum und ich wurde langsam nervös, da er den Blick fest auf die Tischplatte gerichtet hielt und sich ansonsten nicht regte. Dann räusperte er sich. »Ich dachte, wir bleiben einfach bei der alten Bezahlung: Ich bringe dir Mathe bei und du lädst mich ab und zu mal zum Essen ein.«
Gut, dass Sam immer noch die Tischfläche studierte, so bekam ich die Gelegenheit nachzudenken. Leider. Denn so verführerisch sein Vorschlag klang, ich würde ihn ablehnen müssen. »Du bist jederzeit bei uns zum Essen eingeladen, aber Job ist Job. Du hast mir doch gerade erst erzählt, dass du für dich selbst aufkommen musst. Da kann ich mich hier doch nicht hinsetzen und erwarten, dass du kein Geld für die Nachhilfe nimmst.«
Nun blickte Sam endlich auf, die Züge verhärtet. Sein ernster Blick ließ ihn älter wirken. »Dann muss ich die Sache mit Bjarne wohl rückgängig machen, denn ich werde kein Geld von dir dafür nehmen, weil du Zeit mit mir verbringst.«
»Das ist nicht mein Geld, sondern das meiner Eltern. Und sie schenken es dir auch nicht aus lauter Großzügigkeit, sondern, weil ihre Tochter zu dumm ist, um Mathe von allein zu kapieren.« Mein Ton war hitzig und ich ertappte mich dabei, wie ich die Tischkante fest umklammert hielt. »Nachhilfe ist ein Job, Punkt«, setzte ich hinzu, um meinen Entschluss zu untermalen.
»In deinen Augen bin ich Bjarne II, also einfach nur der Typ, der dir Mathe erklärt?« Im Gegensatz zu meiner Stimme klang Sams ruhig, beinahe eine Spur zu gelassen. Aber seine Gesichtszüge blieben angespannt. Hatte er etwas an meinen Worten falsch verstanden?
»Ich brauche jemanden, der mir Mathe so erklärt, dass ich es auch verstehe. Derjenige, der diese Kunst beherrscht, bist du. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich mich auch so sehr gern mit dir treffen würde.« Das war ein ziemlich deutliches Geständnis, und ein Teil von mir wollte sich dafür auch am liebsten unter dem Tisch verstecken. Der andere Teil atmete tief ein und wartete auf Sams Reaktion.
Die bestand in einem umwerfenden Lächeln und darin, dass seine Wangen sich unter der Sonnenbräune rot färbten. Er hievte seine Ledertasche auf die Oberschenkel und begann darin herumzuwühlen, eher er sagte: »Wie wäre es, wenn ich meine Bezahlung für die Stunden dieses Mal
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