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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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der Lehrer, wenn er über den Schulflur humpelte, und das Getuschel der älteren Mädchen, wenn sein Hinterkopf wegen einer genähten Wunde geschoren worden war. Obwohl ich auf nichts so sehr achtete wie auf diesen Jungen, hatte ich das alles nie begriffen. In meinen Augen war Sam einfach niemand, dem echtes Leid geschehen konnte. Jemand, der so strahlte, dem konnte doch keiner etwas anhaben … oder doch?
    Mein Vater, der sich nicht so leicht abweisen ließ, legte erneut seine Hand auf meine Schulter. Dieses Mal wehrte ich mich nicht gegen den Trost, widerstand allerdings dem Bedürfnis, mich in seine Arme zu schmiegen. Zu sehr ärgerte ich mich über meine eigene Blindheit. Was war ich nur für ein wohlbehütetes Schaf!
    »Eigentlich ist ja nun auch alles gut, zumindest fast. Wenn man einmal von den gelegentlichen Zusammenstößen zwischen Bristol und seinem Sohn absieht. Aber damit ist es in der letzten Zeit wohl vorbei. Bristol braucht seinen Hafenarbeiterjob, um seine Schulden zu bezahlen, wie man so hört. Da kann er keinen Ärger mit der Polizei gebrauchen. Außerdem ist Sam mittlerweile ein ganz schön großer Kerl geworden.« Mein Vater brachte ein Lächeln zustande, das wohl aufmunternd wirken sollte. Ich hätte ihm gern den Gefallen getan und es erwidert, aber es gelang mir einfach nicht.
    »Seit der Angelegenheit mit den Schnitten lebt Sam bei der Familie seiner älteren Schwester. Eine ordentliche Wohnung, zwei kleine Kinder und die Eltern haben beide Jobs«, ergänzte meine Mutter, die sich mit Familiengeschichten stets bestens auskannte. »Außerdem ist Sam gut in der Schule, zeigt keine Verhaltensauffälligkeiten und er benimmt sich besser als die meisten aus seinem Jahrgang. Er ist ein guter Junge, dem man eine Chance geben sollte. Oder siehst du das etwa anders, Daniel?«
    Mein Vater zog wie ertappt die Augenbrauen in die Höhe und einen Moment lang glaubte ich, er würde eine witzige Bemerkung machen, um das Thema zu beenden. Doch stattdessen sah er meine Mutter ernst an. »Vermutlich hast du recht. Er scheint Rufus ja auch ganz gutzutun. Ich würde auch nichts sagen, wenn Sam es manchmal nicht regelrecht darauf anlegen würde, seinem Vater in die Hände zu fallen. Oder warum treibt er sich ansonsten nachts am Hafen rum, wo die ganzen Säufer beisammensitzen, nachdem die Spelunke geschlossen hat? Irgendwann wird das schiefgehen.«
    Obwohl ihm darauf niemand eine Antwort gab, lenkte mein Vater schließlich ein. Zu meinem Leidwesen bekam ich Sam allerdings nicht etwa häufiger zu sehen, nur weil mein Bruder sich innerhalb kürzester Zeit zu seinem engsten Kumpel mauserte. Er hatte einfach zu wenig Zeit, um häufig mit seinen Freunden abzuhängen. Er hatte einen Job an der Tankstelle, gab außerdem Nachhilfestunden und die Familie seiner Schwester hielt ihn zweifelsohne auch auf Trab.
    Glücklicherweise bekam ich über Rufus einiges mit. Er redete einfach zu gern über Sam, vor allem, wenn wir gemeinsam Zeit totschlugen. Dann lümmelte Rufus auf dem Sofa, starrte auf den tonlos flimmernden Bildschirm, während ich die schnurrende Pingpong kraulte, und begann über seine Clique zu quatschen.
    »Chris redet die ganze Zeit nur noch von dieser Splat-Gun-Nummer, die sein Cousin und ein paar andere Leute abziehen wollen. Du weißt schon: Mit Tarnkleidung durch den Wald, so Kriegsspielchen eben.«
    Obwohl Rufus keine Miene verzog, war mir klar, dass ihm die Idee gefiel. Ich liebte meinen Bruder, aber er war in mancher Hinsicht ein Idiot. »Und da willst du mitmachen«, stellte ich trocken fest. »Mama verfällt in einen Blutrausch, wenn sie das erfährt.«
    Ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, zog Rufus eine seiner Locken lang und versuchte, ihr Ende zwischen Nase und Oberlippe einzuklemmen. Wie schon unzählige Male zuvor wunderte ich mich darüber, was die ganzen Mädels nur in ihm sahen. Kaum, dass er die Locke losgelassen hatte, zurrte sie nach oben und verschwand in seinem Haarwust. Auch wenn es mir schwerfiel, es zuzugeben, ich bewunderte Rufus für seine Haare. Farblich lagen wir zwar gleichauf, aber meine hingen schnurgerade herunter. Obwohl ich meinen Pferdeschwanz mit jedem Tag langweiliger fand, konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, etwas Neues auszuprobieren. Vermutlich hatten mich die Farb- und Schnittexperimente meiner besten Freundin Lena zu sehr geschockt. Seit ein paar Wochen trug sie ein asymmetrisches Etwas auf dem Kopf und ich hatte mich immer noch nicht getraut zu fragen,

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