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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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nur für mich. Genau wie mein Bruder glaubte ich von einer schwarzen Wand überrollt zu werden, sobald ich diesen Gedanken näher auf den Grund zu gehen versuchte. Die Brücke, auf der ich balancierte, war zu schmal, um sie mit Grübeleien zu belasten, also ließ ich es bleiben.

    Die hellen Töne des Frühjahrs wechselten in ein sattes Grün, sodass meine Mutter kaum noch ihren Garten verließ. Jonas Bristol verbrachte die Tage in der psychiatrischen Abteilung, die der Universität angeschlossen war, und wartete auf seinen Prozess, während Rufus mit Hängen und Würgen seinen Schulabschluss schaffte und Lena den grünen Strähnen in ihrem Haar ein Ende bereitete, indem sie es komplett grün einfärbte. Obwohl die Tage sich für mich bestenfalls leblos anfühlten, gingen sie sehr schnell dahin.
    Und dann war auch schon der Tag da, an dem Rufus, noch restalkoholisiert von der letzten der unzähligen Abschlusspartys, seinen Rucksack packte. Die nächsten Wochen würde er mit Chris und Luca zusammen durch die Lande trampen, ohne ein festes Ziel vor Augen. Wie es danach weitergehen sollte, wusste er noch nicht und unsere Eltern hatten es aufgegeben, ihm deshalb zuzusetzen. In etwa einer halben Stunde würde Chris’ Cousin mit dem Auto vor der Tür stehen, um die Jungs ein Stück landeinwärts mitzunehmen. Mir graute vor diesem Moment, auch wenn ich es meinen Bruder nicht spüren lassen wollte.
    Rufus hatte sich ein Baseballcap aufgesetzt und tief in die Stirn gezogen, weil eine Sonnenbrille dann wohl doch etwas zuviel des Guten gewesen wäre. Seine dunklen Locken quollen unter der Kappe hervor, als hätten sie Angst zu ersticken. Mürrisch legte er zwei T-Shirts in den Schrank zurück.
    »Ich will ja nicht wie ein Mädchen klingen, aber in diesen Rucksack passen schlicht nicht ausreichend Klamotten. Ich werde die Hälfte des Trips damit verbringen müssen, in irgendwelchen Waschsalons abzuhängen.«
    »Als wenn deine Reisebegleitung so empfindlich wäre.« Ich saß im Schneidersitz auf seinem Bett und ging die Songlist seines iPods durch. Die Hälfte der Bandnamen sagte mir nichts. »Außerdem bist du nach ein paar Tagen sicherlich abgehärtet, wenn ihr wirklich wild campen solltet. Baden im See, Toilette im Dickicht …«
    »Hör ich da so was wie Sarkasmus?« Ich blickte ihn mit großen Augen an, doch Rufus nahm mir die Unschuldsmiene nicht ab. »Ich lass mich ganz bestimmt nicht von einer veralbern, die freiwillig ihren sechzehnten Geburtstag in diesem Kaff hier verbringt, anstatt wie geplant unsere Lieblingstante in Hamburg zu besuchen. Keine Lichter der Großstadt für Mila, sondern Touristen auf Tagesgang. Das wird definitiv nicht dein Sommer.«
    »Du vergisst, dass Lena für die Ferien unser Gästezimmer bezieht. Ihre Eltern wollen ein paar Wochen auf einem Weingut verbringen und mal richtig die Seele baumeln lassen, aber Lena will Artemis nicht so lange allein lassen.«
    »Super, dann könnt ihr ja gemeinsam in Mamas Garten sitzen und nachts den Mond anschauen, denn was anderes wird es wohl kaum zu tun geben. Tu Lena einen Gefallen und schneid ihr die Haare ab, wenn sie schläft.«
    »Noch so ein fieser Kommentar, und ich lösche deine komplette Playlist.«
    Rufus setzte sich neben mich aufs Bett. Trotz seines Aftershaves konnte ich den Alkohol riechen, den er sich letzte Nacht reingekippt hatte, wie schon in den Nächten zuvor. Zweifelsohne würde es ihm guttun, St. Martin eine Zeit lang zu verlassen.
    »Du solltest dir das mit der Einladung nach Hamburg noch einmal überlegen. Wenn du hierbleibst, fällt dir bestimmt die Decke auf den Kopf. Irgendwie ist das doch eine Verschwendung von Zeit.«
    Ich suchte Rufus’ Blick, doch der senkte kurzerhand den Schild der Kappe. »Was genau willst du mir damit sagen?«
    Rufus zögerte, eine seiner neuen Eigenschaften, dann sagte er: »Ich will dir nicht einreden, dass deine Warterei auf Sam Blödsinn ist. Aber ich glaube, du brauchst mal eine Auszeit - genau wie ich.«
    »So einfach ist das nicht für mich.«
    »Schau mal, du schuldest Sam nichts …«
    »Darum geht es nicht«, unterbrach ich ihn.
    Abwehrend hob Rufus die Hände. Sie zitterten leicht - ob nun vom Kater oder weil er aufgewühlt war, konnte ich nicht sagen. »Ich will dir nur helfen, so wie du mir geholfen hast.«
    Schlagartig stieg Wut in mir auf. Rufus konnte alles hinter sich lassen, fein. Sollte er nur. »Willst du mir wirklich helfen? Dann sag mir, wo Sam ist.«
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren,

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