Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
um im nächsten Moment auf das aufgewühlte schwarze Meer zu blicken, mit einem putzmunteren Asami an meiner Seite. Das alles ging mir einen Tick zu schnell. Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie Reza mit einem Schreckensschrei auf den Lippen neben ihrer Tochter aufwachte, weil ich eben doch nicht so gut in der Kunst war, die Erinnerung der Menschen umzuformen, wie ich behauptet hatte, um Mila zu beruhigen. Und dann würde sich meine Freundin allein mit den Auswirkungen herumplagen müssen, genau wie sie es schon zuvor bei Rufus getan hatte. So war das eben zurzeit mit mir als Freund: Entweder war ich vor Erschöpfung zu nichts zu gebrauchen oder ich glänzte durch Abwesenheit.
Unterdessen machte Asami den Eindruck, als könnte es nichts Besseres geben, als noch vor Sonnenaufgang sein Schwert zu begrüßen. Der Anbruch des Tages war eindeutig seine Zeit – anders als bei mir, da ich doch meine brennenden Augen kaum offen halten konnte. Missmutig wischte ich mir die Sandspuren von Stirn und Nase.
»Und, ist deine sadistische Ader mit dieser Demütigung befriedigt oder soll ich mich noch einmal verbeugen, bis ich ein Ladung Sand in den Mund bekomme?«
Asami blickte mich geradeheraus an und obwohl er nicht lächelte, wusste ich, dass er sich bestens über meine bockige Art amüsierte. Vermutlich war es einer der Höhepunkte seines Lebens gewesen, als ich ihn gebeten hatte, mich im Iaido, dem Weg des Schwertes, zu unterrichten. Im Nachhinein betrachtet, war das keine meiner besten Ideen gewesen, denn während des Unterrichts galt das Kräfteverhältnis zwischen Asami und mir, das ich auf die harte Tour zu meinen Gunsten entschieden hatte, ungefähr einen feuchten Dreck.
Beim Iaido war Asami der Lehrer und ich sein Schüler – sprich: Ich war ein nichtsnutziger Schwachkopf und einfach nicht in der Lage, irgendwas von dem richtig zu machen, was sein großer Meister ihn lehrte. Und das Schlimmste daran war, dass ein Teil von mir dieses Verhältnis akzeptierte. Demut war eigentlich noch nie meine Sache gewesen, aber nachdem ich gesehen hatte, wie Asami mit seinem Katana verwuchs und es mit einer unbeschreiblichen Eleganz und Zielgerichtetheit führte, wusste ich, dass ich diese Schwertkunst unbedingt auch beherrschen wollte. Selbst wenn das bedeutete, von Asami während unserer Übungsstunden bevormundet zu werden. Zu meiner Erleichterung hatte ich jedoch schon bald festgestellt, dass er seine Aufgabe als Lehrer sehr ernst nahm und sein Vergnügen daran, mich meine Wertlosigkeit spüren zu lassen, im Zaum hielt. Meistens jedenfalls.
»Samuel, bei der Begrüßung des Schwertes geht es um Respekt. Das ist es, was du der Klinge schuldest. Verstehst du?«
»Ja«, sagte ich ergeben.
Asami reichte mir ein Tuch, das nach Kamelienöl duftete und mit dem ich die Klinge einrieb. Zuerst hatte ich komisch dreingeschaut, als ich das Schwert ölen sollte. Ich meine: ölen? Damit es besser in den Gegner flutscht? Nachdem
ich gelernt hatte, dass man die Klinge über seinen Handrücken gleiten lässt, um sie wieder in die Scheide zu stecken, habe ich nie wieder eine alberne Bemerkung darüber fallen lassen.
Nachdem Asami das Tuch verwahrt hatte, richtete er sich auf. »Und jetzt lass uns mit deinem Training beginnen.«
Ergeben stand ich auf und steckte das Schwert in meinen Obi, einen breiten Gürtel, den ich auf Asamis Geheiß hin so eng um meine Hüften gebunden hatte, dass ich jedes Mal Druckstellen befürchtete. Der Saum meiner langen Hosen berührte den Strand, während meine Füße im Sand verschwanden. Mit meinem von der viel zu kurzen Nacht wirr abstehenden Haar, den Schwingen auf meinem nackten Rücken und dem Schwert an meiner Seite kam ich mir wie ein Rachedämon vor, der fußlos über dem Grund schwebt. Fehlte nur noch der schwarze Nebel, der unter dem Hosensaum hervorwaberte.
Neben mir seufzte Asami ungeduldig, woraufhin ich in die Ausgangsstellung ging.
Wenn mir jemand zuvor erzählt hätte, dass es eine Kunst für sich ist, ein Schwert zu ziehen, hätte ich ihn ausgelacht. Raus aus der Scheide, und dann geht’s los. Stimmt auch, nur ist beim Iaido das Ziehen der Klinge schon der halbe Kampf. Wer hier schneller und konzentrierter ist, hat in der Regel bereits gewonnen. Im Idealfall braucht es nicht mehr als eine Bewegung, um seine Überlegenheit zu beweisen. Mit dem Katana gibt es kein großes Aufeinandereingeprügel, wie man es von Kämpfen mit dem Breitschwert aus Fantasyfilmen kennt. Stattdessen wird dem
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