Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Wir sollten uns ein wenig absetzen und nicht dem Herdentrieb folgen«, schlug ich vor, während ich gleichzeitig Ranuken davon abhielt, das benutzte Handmixgerät, an dem noch Teigreste hingen, aus purer Freude an technischen Haushaltsgeräten einzuschalten. Die Küche sah ohne Pfannkuchenteigsprenkel nämlich eindeutig besser aus. »Die Insel Fernogg wäre nicht schlecht. Wir könnten es uns in den Dünen zwischen Sanddornsträuchern gemütlich machen. Die Fährfahrt müsste Sam dann allerdings mit Mütze, Sonnenbrille und gefaktem Schnurrbart überstehen. «
Wie erwartet zog Sam eine Grimasse und winkte ab. »Nein, danke.«
Rufus zog eine seiner Locken lang, was er immer tat, wenn er nachdachte. »Dads Segelschiff.«
»Nicht schlecht, die Idee«, stimmte Sam zu, der gerade die Kaffeedose in den Schrank stellte und dabei auf eine Teepackung stieß. » Sencha – Grüner Tee aus Japan «, las er halblaut vor. »Meinst du, Mila, ich könnte ein bisschen was davon abhaben? Nicht für mich, sondern für Asami.« Im nächsten Augenblick sah er aus, als würde er am liebsten seine Zunge verschlucken. Hastig stellte er den Tee zurück und schloss den Schrank. »Vergiss die Frage einfach, ja?«
»Warum denn? Du kannst das Zeug ruhig für Asami mitnehmen.
Das steht da bestimmt schon seit zwei Jahren rum. Ich hätte nichts dagegen, wenn ihm die Schimmelpilze ordentlich auf den Magen schlagen.« Gut, das klang jetzt nicht so locker, wie ich es gern rübergebracht hätte. Aber immer noch besser als »Hey, Asami wollte mich gerade erst umbringen. Da ist es doch völlig in Ordnung, wenn ich ihm als Dank dafür ein paar Gramm Tee spendiere.«
Sam hantierte mit dem dreckigen Geschirr herum und wich meinem Blick aus. Bei nichts anderem wurde mir so deutlich bewusst, dass er in der Sphäre ein Leben führte, von dem ich so gut wie gar nichts wusste, wie im Fall Asami. Seitdem die nur aus Schwarz und Weiß bestehende Schattenschwinge sich Sams Willen untergeordnet hatte, waren zwischen den beiden Dinge in Bewegung geraten, die sich meinem Verständnis entzogen. Mir war schon klar, dass Sam sich nicht von Asami abwenden konnte, bloß weil der mich dafür hasste, dass ich als Mensch seine heilige Sphäre betreten hatte. Asami war schlicht zu wichtig für die Schattenschwingen, die sich einer unbekannten Bedrohung ausgesetzt sahen. Nur dass er allem Anschein nach für meinen Sam auch persönlich wichtig wurde, rief eine zunehmende Beunruhigung in mir hervor. Schwertkampflektionen, über die Sam bislang nur einige Andeutungen gemacht hatte – einverstanden. Er musste sich zur Wehr zu setzen lernen, schließlich hatte sich die Sphäre nicht gerade als Garten Eden entpuppt. Aber Asami ein Geschenk zu machen, vielleicht sogar einen Freund in ihm zu sehen, das ging mir zu weit. Diese Schattenschwinge verachtete uns Menschen. Wie konnte Sam das nur vergessen?
Ranuken, der eher unempfänglich für Stimmungswechsel war, machte aus einem anderen Grund ein verunsichertes Gesicht. »Es soll also auf ein Schiff gehen, so richtig raus aufs Wasser?«
»Sag bloß, du leidest unter Seekrankheit.« Lena legte eine Mischung aus Belustigung und Mitgefühl an den Tag.
»Keine Ahnung, aber ich kann nicht schwimmen.«
»Das sollst du auch nicht, darum nehmen wir ja ein Schiff«, warf Sam ein und räumte mit ungebrochenem Eifer Teller und Tassen in den Geschirrspüler, während ich von ihm unbeachtet daneben stand.
Ranuken verdrehte die Augen. »Ich gehe auf kein Schiff, basta.«
»Wie wäre es mit einem Ausflug zu den Wellenbrechern?« Lena konnte herrlich konstruktiv sein, wenn es darauf ankam. Es zahlte sich aus, durch Mein-Gott-Walters harte Schule des Dramas zu gehen.
Die Wellenbrecher waren ein verwilderter Strandabschnitt weit außerhalb von St. Martin, den man erst nach einem ordentlichen Marsch durch die Dünen erreichte. Dorthin verirrten sich nur selten Touristen, denn es war wegen des hohen Wellengangs keine besonders kinderfreundliche Gegend. Trotz der Betoneinlassungen, die als Puffer wirkten, spielte das Meer an diesem Abschnitt gern verrückt. Außerdem bot sich auch kein breiter Sandstrand für die Invasion der bunten Nylonmuscheln an. Höchstens ein einsamer Angler wagte sich dann und wann ans weiß schäumende Meer, das sich an den grauen Betonwänden abarbeitete, anstatt die Dünen zu erreichen und sie mit sich zu reißen. Es war ein rauer Ort, an dem selbst im Sommer ein kräftiger Wind ging.
»Wellenbrecher. Ein
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