Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Darauf sollten wir gleich mit frisch gepresstem Orangensaft anstoßen. Es würde mich nämlich nicht wundern, wenn es bei diesem einmaligen Ausrutscher bleibt.« Lena drückte mir grinsend ein Glas in die Hand und wir stießen mit einem lauten Plong an. »Das mit der anderen Welt ist übrigens die einzige skurrile Erklärung, die mir Ranuken nicht geliefert hat. Dabei ist sie am Naheliegendsten, vor allem, wenn ich mir diese Shirin so anschaue. Die sieht einfach überirdisch aus«, flüsterte Lena.
Ich verschluckte mich fast an meinem O-Saft, und Lena guckte ein wenig verwirrt drein. Genauso, wie sie sich vermutlich fühlte, auch wenn sie sich dazu entschlossen hatte, mir vorläufig nicht auf den Zahn zu fühlen. In diesem Moment unterbrach Shirin ihren Austausch mit Sam und warf uns ein so warmes Lächeln zu, dass sogar Lena sichtbar entspannte. Shirins Strahlen flammte dabei wieder auf und ihre Augen glänzten vor Leben. Mir wurde sofort leichter ums Herz. Offenbar tat ihr der Aufenthalt in unserem Haus genauso gut wie erhofft. Das war doch endlich mal eine gute Nachricht.
»Fantastisch, Frühstück! Genau das, was ich jetzt brauche. Und zwar in rauen Mengen. Ich habe nach der letzten Nacht vielleicht einen Bärenhunger.«
Rufus kam in einer alten Jogginghose und noch ziemlich zerzaust die Treppe runter. Zur allgemeinen Erleichterung
ohne Julia. Ein kurzes Nicken in die Runde, wobei er niemandem ernsthaft Beachtung schenkte. Das war einem ausgemachten Morgenmuffel wie ihm natürlich komplett unmöglich, sogar die faszinierende Shirin entging ihm vollständig. Dann setzte er sich auf den freien Platz neben Sam. Also dahin, wo ich eigentlich hatte sitzen wollen. Dann begann er auch schon, sich die Sachen auf den Teller zu packen, die noch nicht bei Ranuken gelandet waren.
»Sieht so aus, als ob wir uns beeilen müssten, sonst bekommen wir nichts mehr ab.« Der Moment war vorbei und Lena wieder vollkommen in ihrem Element. »Rufus, mindestens zwei von den Croissants, die du dir gerade unter den Nagel gerissen hast, gehören mir. Das gilt auch für den Pfannkuchenstapel. Und deine Schwester will bestimmt ebenfalls was essen.«
»Warum?«, antwortete Rufus mürrisch, während er die geforderten Pfannkuchen umschichtete. »Mila hat doch Sam und damit Luft und Liebe in rauen Mengen.«
»Halt die Klappe, mein Freund«, sagte Sam bestimmt und schnappte sich das übrig gebliebene Croissant von Rufus’ Teller. »Sonst zeige ich dir später unter vier Augen, wie gut das Element Luft und ich wirklich zusammenpassen. Und das ist keine windige Drohung.«
Na, das konnte ja noch lustig werden.
16
Spritztour
Endlich schien die Sonne wieder in ihrem septemberlich weichen Ton. Nach dem Regen der letzten Tage kam es da geradezu einer Pflicht gleich, einen Ausflug zu unternehmen. Außerdem schlief oben in Rufus’ Zimmer Julia und niemand von uns verspürte besonders große Lust, anwesend zu sein, wenn sie aufwachte – allen voran Rufus, der zu dem Thema nur irgendwas Unverständliches vor sich hin genuschelt hatte.
Aufgeregt warfen wir – das heißt: die Einheimischen – Vorschläge in die Runde, während Shirin uns mit der gleichen Aufmerksamkeit beobachtete, die sie jedem Einzelnen von uns beim Essen hatte zukommen lassen. Schon nach unserer Malsession am gestrigen Nachmittag hatte sie keinerlei Anzeichen von Apathie mehr erkennen lassen. Spätestens seit dem Frühstück wirkte sie geradezu aufgeblüht, auch wenn sie sich mit Kommentaren zurückgehalten und sich aufs reine Beobachten beschränkt hatte. Gelegentlich glaubte ich sogar etwas wie ein Lächeln in ihren Mundwinkeln tanzen zu sehen. Vermutlich wunderte sie sich darüber, was für ein seltsamer Haufen wir waren. Langsam hatte ich den Eindruck, dass unser unbekümmertes Geplauder, bei dem wir einander übertönten und uns immer wieder ins Wort fielen, wie eine Therapie auf sie wirkte. Eine Art Lachtherapie.
»Der Strand von St. Martin ist an so einem Sonnentag
garantiert nicht bloß knallvoll, sondern es wird auch unsere gesamte Schule da abhängen. Schließlich steht die kalte Jahreszeit vor der Tür, da heißt es Sonne tanken. Falls Sam nicht jedem Einzelnen persönlich Hallo sagen will, ist es eher nicht the place to be «, gab Lena zu bedenken, woraufhin Sam zustimmend nickte.
»Also nicht der Strand. Ich finde eh, es nervt komplett, wenn man den Sand vor lauter Nylonmuscheln und Badetüchern nicht mehr sieht. Da kommt man sich vor wie beim Hindernislauf.
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