Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
hatte, schien er nun in seine Empörung zu stecken. Wenn er Ranuken jetzt in die Finger bekam, würde er ihm bestimmt den Hals umdrehen.
»Warum überrascht es mich nicht, dass er gerade in einem solchen Augenblick Lärm schlagen muss? Als hätte er einen Instinkt dafür, uns die Stimmung zu verderben. Das zwischen uns beiden eben, das war … Mann, der Zwerg bekommt Hausverbot.« Sam knirschte lautstark mit den Zähnen.
Die Magie zwischen uns, die er nicht zu beschreiben vermochte, war mittlerweile wie weggewischt. Zurück blieb der bittere Geschmack von Enttäuschung.
»Ich sollte besser runtergehen, sonst bringt er noch das ganze Haus zum Einsturz.«
Mühsam fand ich mich mit der Einsicht ab, dass wir in einem Haus voller Gäste wohl kaum die Zweisamkeit finden würden, nach der wir uns beide schmerzlich sehnten. Je eher wir das akzeptierten, um so besser, ansonsten würde die Frustration noch überhandnehmen. Um diese Vermutung bestätigt zu bekommen, musste ich mir nur Sams fest aufeinandergepresste Lippen anschauen. Nach einer Aufforderung zum Kuss sahen die nicht länger aus.
»Ich will ja nicht wie meine Mama klingen«, versuchte ich mich an einem scherzhaften Ton, der jedoch eher schräg geriet. »Bevor du dich in der Küche blicken lässt, solltest du erst einmal eine Dusche nehmen, dich rasieren und dir was Ordentliches anziehen. Ranuken ist da unten nämlich nicht allein, wie du weißt.«
Sam ließ sich zurück aufs Bett fallen. »Mist. Lena. Die hatte ich vollkommen vergessen.«
»Mag sein, aber sie dich ganz bestimmt nicht. Die sitzt wahrscheinlich schon auf heißen Kohlen, während Ranuken ihr eine Flunkergeschichte nach der nächsten serviert, um eure Anwesenheit zu erklären.«
Mit einem Stöhnen zog Sam sich die Decke über den Kopf. Ich gönnte ihm einige Sekunden, dann zog ich sie weg. Auf der unteren Etage lebte jemand, der sehr nach Lena klang, gerade einen Lachanfall aus.
»Hör zu, Sam. So sieht der Plan aus: duschen, anziehen, Lena becircen.«
»Großartig. So viel zu unserem Plan, heute Morgen endlich ein wenig Zeit miteinander zu verbringen.« Sams sonst
so leuchtenden meerfarbenen Augen hatten vor lauter Frust die Farbe eines wolkenverhangenen Himmels angenommen. Mir ging es kein Stück besser, aber ich wusste, es würde uns beiden wenig bringen, wenn ich das zugab.
»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Meine Eltern sind doch noch fast drei Tage weg. Aber jetzt müssen wir uns erst einmal der Tatsache stellen, dass Lena dich und Ranuken gesehen hat. Eigentlich hätte ich gestern schon mit ihr darüber sprechen müssen.«
Mit einem ergebenen Seufzer stand Sam auf und legte die Arme um mich, wobei ich mir jeden Gedanken daran verbot, wie sich das anfühlte. »Es bringt mich zwar fast um, aber du hast recht. Nur … Lena um den Finger wickeln ist eine Kunst, die ich auf keinen Fall beherrsche. Kann ich nicht einfach ihre Erinnerung abändern? Autsch, Mila! Das war doch nur ein Scherz, ich würde niemals … Hör endlich auf mich zu kneifen!«
Anmutig wie eine Gazelle sprang Sam in Richtung Badezimmer davon. Kurz hing ich noch meinem Kummer darüber nach, dass unser erster gemeinsamer Morgen so restlos unromantisch endete, dann besorgte ich ihm frische Kleidung und setzte mich ins Badezimmer meiner Eltern ab. Während ich aus den Sachen schlüpfte, in denen ich die Nacht verbracht hatte, war mir aber trotzdem zum Heulen zumute. Eigentlich wäre es Sams Aufgabe gewesen, mich von jedem einzelnen Stück zu befreien, damit wir uns so nah waren, dass wir nicht mehr zwischen unseren Körpern unterscheiden konnten. Nicht mehr lange, versprach ich mir. Nicht mehr lange …
15
Galgenfrist
Als ich von der Treppe heimlich in unseren Wohnbereich blickte, bot sich mir zunächst ein beruhigendes Bild, denn Lena hatte Ranuken davon abgehalten, unsere Küche in ein einziges Chaos zu verwandeln. Stattdessen hatten sie ein richtiges Frühstück mit allem Drum und Dran gezaubert. Meine Freundin mochte zwar gerne mal das coole Mädchen geben, aber bürgerlichen Dingen wie weich gekochten Eiern konnte sie durchaus etwas abgewinnen. Doch dann traf mich fast der Schlag, weil Shirin an dem eingedeckten Tisch saß und Lena ausgesprochen interessiert dabei zuschaute, wie sie einen Apfel schälte.
Irgendwie wollte es mir nicht gelingen, Shirin und den gedeckten Frühstückstisch unter einen Hut zu bekommen.
Hinter mir machte Sam mit einem Hüsteln auf sich aufmerksam. Sein frisch gewaschenes Haar tropfte
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