Schattenspäher
hellwach. Ein paar Analytiker, Übersetzer und Kopisten saßen ebenfalls an ihren Tischen und waren in ihre Arbeit vertieft.
»Willkommen zu Hause«, sagte Paet, als sie eintraten. Er wirkte nachgerade erleichtert. »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, Euch wieder hier zu haben.« Es war das erste Mal, dass Silberdun ihn etwas Emotionales sagen hörte, das kein Zorn war.
»Ich hab eine Hand verloren«, sagte Silberdun.
Paet sah ihn stirnrunzelnd an. »Wovon zum Henker redet Ihr?«
»Eine Annwni-Wache hat mir die rechte Hand abgeschlagen, doch fünf Tage später ist sie wieder nachgewachsen.«
Paet verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln. »Was Ihr nicht sagt.«
»Was habt Ihr mit uns angestellt?«, verlangte Eisenfuß zu wissen. »Ich meine auf den Klippen in Kastell Weißenberg. Irgendwas ist dort mit uns geschehen. Jedron hat was mit uns gemacht. Seit wir Weißenberg verlassen haben, zerbreche ich mir darüber den Kopf, aber es will mir einfach keine thaumaturgische Erklärung einfallen ... Und ich bin nicht gerade begriffsstutzig«, setzte er hinzu.
Silberdun nickte. »Ich denke auch, es ist an der Zeit, uns reinen Wein einzuschenken, Paet.«
»Ist sonst noch was Außergewöhnliches passiert?«
»Wenn Ihr so fragt, ja«, erwiderte Silberdun. »Ich hab ein ganzes Wohnhaus mit einem einzigen Hexenfeuerschlag niedergebrannt, und Eisenfuß hat einen Mann im Handumdrehen zu seinem willfährigen Sklaven gemacht.«
»Verstehe.«
Paet nahm eine Flasche Whiskey vom Regal neben seinem Schreibtisch und füllte drei Gläser. Er reichte je eines an Silberdun und Eisenfuß und erhob dann seines. Sie tranken.
»Ich sagte Euch ja, dass einige unerwartete Nebenwirkungen auftreten könnten, nicht wahr?«, fragte Paet. »Wie es aussieht, traten sie früher ein als erwartet.«
»Ich dachte, Ihr meintet damit so was wie Übelkeit oder Kopfschmerzen oder so«, sagte Silberdun.
»Ich habe mich bewusst nicht genau festgelegt, weil es für jeden anders ist.«
»Was ist ›es‹?«, wollte Eisenfuß wissen. »Was ist für jeden anders.«
»Etwas ist in Weißenberg mit uns geschehen, Paet«, sagte Silberdun. »Und Ihr wisst, was es war. Also erzählt es uns endlich.«
»Das kann ich nicht«, sagte Paet. Plötzlich wirkte er müde, fast erschöpft.
»Und warum nicht?«
»Glaubt mir, je weniger Ihr darüber wisst, desto besser«, sagte Paet nun lauter. »Wissen ist in diesem Geschäft alles. Je mehr Ihr wisst, umso ein größeres Risiko seid Ihr auch.«
»Immer die alte Leier«, sagte Silberdun.
»Jetzt hört mal gut zu«, sagte Paet. »Einst schnitt ich einer Frau, die ich liebte, die Kehle durch, um genau diese Information geheim zu halten. Glaubt Ihr wirklich, das hat mir Spaß gemacht?«
Silberdun wusste nichts darauf zu sagen, so erschrocken war er.
»Wie dem auch sei«, sagte Paet, »was wir mit Euch taten, ist nicht so wichtig wie das, was Ihr daraus macht.«
»Das reicht mir nicht«, sagte Eisenfuß.
»Gut, dann lasst mich Euch so viel sagen: Ihr seid nun stärker als zuvor. Ich denke, das dürfte Euch nicht verborgen geblieben sein. Stärker sowohl körperlich als auch mit Eurem re. Ihr seid nicht mehr so leicht zu verletzen, und wenn Ihr verletzt seid, dann regeneriert Ihr schneller.
Es gibt noch andere ... Vorteile«, schloss Paet, »aber es steht mir nicht frei, Euch davon zu berichten, es sei denn, die Umstände erfordern es.«
»Und welche Umstände wären dazu erforderlich?«, fragte Silberdun.
Paet stürzte den Rest seines Whiskeys herunter. »Das wollt Ihr nicht wissen.«
Er goss sich ein weiteres Glas ein. »Und wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet, ich habe Wichtigeres zu erledigen.«
»Und das wäre?«, wollte Silberdun wissen.
»Ich nehme an, Ihr habt seit Eurer Rückkehr noch keinen Blick in die Zeitung werfen können?« Paet schob Ihnen eine zusammengefaltete Ausgabe des Boten über den Tisch. Silberdun schlug die Zeitung auf, Eisenfuß sah ihm über die Schulter; ihr Blick fiel auf die Schlagzeile: »Untersuchungen im Fall des Todes von Zunftmeisters Heron ausgeweitet.«
»Heron?«, fragte Eisenfuß. »Ist das etwa der Ehemann der Staatssekretärin?«
»Genau der«, sagte Paet. »Das Ganze ist bei Hofe der Skandal des Tages, und es werden auch schon erste Rücktrittsforderungen laut.«
Silberdun überflog den Artikel. »Ein Mord? Sollen wir die Sache vielleicht untersuchen?«
Paet verzog das Gesicht. »Aber nein. Wir kennen den Mörder doch.«
»Und wer ist es?«,
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