Schattenspäher
die Augen, bevor er den langen Weg durch den matschigen Gemüsegarten antrat.
»Also um ehrlich zu sein, Perrin Alt ...«, kicherte Everess, als Silberdun nah genug heran war, »... ich glaube nicht, dass das Klosterleben das Richtige für Euch ist.«
Silberdun hatte Everess nie sonderlich leiden können. Für seinen Geschmack fand dieser Mann ein wenig zu sehr Gefallen an Spott und Hohn. »Man gewöhnt sich dran«, erwiderte er lahm. Jede geistreiche oder gar schlagfertige Erwiderung schien, wie schon zuvor seine Hexenlichter, in diesem Garten ersoffen zu sein.
»Bei den Zähnen der Königin, Silberdun! So ist es also wahr, was man sich erzählt - Ihr habt Euch in der Tat verändert!«
Automatisch griff Silberdun an sein Gesicht. Er berührte seine Nase, die einst gerade und edel geformt war und auf der nun ein unschöner Höcker saß. Seine vormals ausgeprägten Wangenknochen waren kaum mehr der Rede wert, und auch sein Kinn war nicht mehr halb so markant wie früher. Er hatte sich die falsche Frau zum Feind gemacht, und die hatte sich bitterlich an ihm beziehungsweise an seinem Antlitz gerächt. Faella, die junge Mestina, die er aus irgendeinem Grunde nicht vergessen konnte. Königin Titania hatte ihm gesagt, dass Faella etwas ganz Besonderes war, da sie die so genannte Dreizehnte Gabe besaß - die Gabe der Verwandlungsmagie. Silberdun hegte den dumpfen Verdacht, dass Titania ihm dies nicht allein um der Information willen mitgeteilt hatte.
»Das ist die gute Landluft«, meinte Silberdun. »Die wirkt Wunder an der Haut.«
»Ach, kommt endlich aus dem Regen und hört auf, Plattitüden von Euch zu geben. Wir haben wichtige geschäftliche Dinge zu besprechen.« Everess winkte Silberdun in Richtung Kalefaktorium, wofür ihm Silberdun insgeheim dankbar war. Die Wärmestube des Klosters war der einzige Raum, in dem Tag und Nacht ein Feuer brennen durfte.
Sie betraten das Kalefaktorium, und Silberduns Robe begann augenblicklich zu dampfen. In einer Ecke des Raums standen Holzzuber mit heißem Wasser. Bevor Silberdun auch nur daran denken konnte, sich mit Everess zu unterhalten, wusch er sich erst einmal das Gesicht, die Hände und die Füße. Er seufzte vor Wonne, als wieder Gefühl in seine Gliedmaßen zurückkehrte, wenngleich in Begleitung von kleinen schmerzhaften Nadelstichen.
Nachdem er den Eindruck hatte, wieder halbwegs vorzeigbar zu sein, setzte sich Silberdun an den langen Tisch beim Feuer, an dem Everess bereits Platz genommen hatte und sorgfältig eine Pfeife stopfte.
»Ich bin erfreut, dass Ihr zugestimmt habt, Euch mit mir zu treffen, Perrin«, sagte Everess herzlich; sämtliche Häme schien von ihm abgefallen zu sein. »Was wir zu bereden haben, ist eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit.«
»Verstehe«, entgegnete Silberdun. »Dennoch solltet Ihr wissen, dass ich diesem Treffen eigentlich nicht zugestimmt hatte. Dieser Bastard Estiane hatte sich an meiner Stelle dazu bereit erklärt.«
»Und doch sitzen wir uns hier nun einander gegenüber, nicht wahr?«
»Kein Wunder, hier brennt ja auch das einzige Feuer weit und breit.« Silberdun seufzte. Dieser Schlagabtausch war ermüdend.
Everess hatte sich seit ihrer letzten Begegnung vor fünf Jahren im Oberhaus kaum verändert. Immer noch feist und rotgesichtig, trug er nach wie vor seinen braunen, mittlerweile jedoch grau melierten Backenbart. Er hatte eng stehende Äuglein, die von seinen buschigen Augenbrauen teilweise verdeckt wurden, sodass er den Eindruck erweckte, ständig zu blinzeln. Er zog an seiner Pfeife und stieß eine kleine Rauchwolke aus. Silberdun winkte mit dem Zeigefinger, und der Rauch formte sich zu zwei ineinandergreifenden Ringen, die zur Decke aufstiegen.
»Hört auf mit diesem Unsinn, Silberdun«, sagte Everess. »Wir haben viel zu bereden, und ich wäre gern wieder in der Stadt, bevor der Regen die Straße endgültig fortwäscht.«
»Ihr habt meine ungeteilte Aufmerksamkeit«, erwiderte Silberdun.
»Es ist an der Zeit, dass Ihr wieder aus der Deckung kommt«, begann Everess. »Ich verstehe, dass Ihr Euch eine Weile von allem zurückziehen wolltet, doch nun werdet Ihr anderenorts dringend gebraucht.«
»Das sehe ich anders. Ich bin sehr glücklich hier.«
»Seid kein Narr, Silberdun. Ihr hattet eine Weile Euren Spaß als Mönchlein, aber diese Zeiten sind vorbei, und das wissen wir beide. Ihr gehört nicht hierher. Das habt Ihr niemals und werdet es auch niemals. Die Askese passt nicht zu Euch. Genauso wenig wie
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