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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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trat. Der Abt schloss leise die Tür; auf seinem Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck. Das Klosteroberhaupt hielt einen Umschlag in der Hand, und Silberdun erkannte das gebrochene Siegel von Marcuse, dem Oberhofmeister der Königin. Estiane setzte sich auf die Kante von Silberduns Pritsche und drehte den Umschlag in seinen Fingern. Es sah aus, als hantiere er mit höchst empfindlichen Trockenblumen oder zerbrechlichem Porzellan.
    »Wir wollen ganz aufrichtig miteinander sein, ja?«, begann Estiane. »Kein Geplänkel, keine Machtspielchen, keine Tricksereien. Wir sind beide Gefolgsmänner Abas, die ihr Bestes geben, um ihrem Gott zu dienen, und die bei dem Versuch doch allzu oft kläglich scheitern. Ich denke, Ihr könnt mir bis hierhin zustimmen?«
    Silberdun setzte sich auf. Ihm lag eine launige Bemerkung auf der Zunge, doch er schluckte sie herunter. »In Ordnung«, grummelte er.
    »Mir ist bekannt, warum Everess Euch heute aufgesucht hat«, sagte Estiane. »Er und ich hatten in den letzten Monaten einige recht ernste Gespräche.«
    »Tatsächlich?«, fragte Silberdun. »Ist Everess denn Arkadier. Das hätte ich nun nicht von ihm gedacht.«
    »Nein, nein«, sagte Estiane. »Diese Gespräche waren rein politischer Natur. Wir hängen es zwar nicht an die große Glocke, aber die Kirche ist mit der Staatspolitik genauso eng verbunden wie jede andere große Organisation. Wir besitzen Macht und Einfluss und Erfahrung, und all dies muss auch eingesetzt werden.«
    Estiane schlug mit dem Umschlag sacht gegen seine Fingerspitzen. »Wie Ihr vielleicht wisst, verfügt die Kirche über ein beachtliches Netzwerk bei den Unseelie. Zwar ist uns nicht exakt bekannt, wie viele Anhänger wir in Mabs Kaiserreich tatsächlich haben, denn die Bel Zheret foltern die Arkadier nur zu gern, um genau solche Dinge zu erfahren, weshalb die Kirche bemüht ist, so wenige Interna wie möglich offenzulegen.
    Viel nützliches Wissen, das die Königin über die Unseelie besitzt, kam von uns. Wir haben Anhänger auf fast jeder Regierungsebene und in allen militärischen Rängen. Und bisweilen treibt ihr Gewissen sie dazu, gewisse Dinge zu enthüllen.«
    Silberdun lächelte. »Und Ihr tauscht dann dieses Wissen gegen Einfluss im Senat und am Königlichen Hof ein.«
    »Selbstverständlich.« Estianes Stimme wurde lauter. »Wir wären doch dumm, wenn wir es nicht täten. Das alles hat wenig mit unserem Dienst an Aba zu tun; die Kirche an sich ist keine heilige Institution. Die Kirche ist eine Organisation, die in Zeit und Raum existiert und tut, was getan werden muss, um zu überleben - und dies erfolgreich. Erinnert Euch: Als Ihr noch ein kleiner Junge wart, war das Arkadiertum praktisch verboten.« Ohne großen Erfolg versuchte Estiane seine Schuldgefühle zu verbergen, die er offenbar empfand. »Und das führt uns zu Euch, Perrin Alt. Lord Silberdun.«
    Silberdun seufzte. »Ich hab mich schon gefragt, wann ich ins Spiel kommen würde. Worum geht's also?«
    »Da bin ich mir gar nicht wirklich sicher, um ehrlich zu sein«, erwiderte Estiane. »Ich weiß, dass Everess sehr daran gelegen ist, Euch wieder in die Hauptstadt zurückzuholen, ich weiß nur nicht, aus welchem Grund. Ich denke, es hängt irgendwie mit dem Außenministerium zusammen.«
    »Also ehrlich, Abt!«, sagte Silberdun. »Was hat das alles noch mit Heiligkeit zu tun?«
    »Heiligkeit?«, zischte Estiane. »Heiligkeit ist das Privileg der Seligen wie Tebrit, Eurem Peiniger. Tebrit muss keine Entscheidungen darüber treffen, wie der Einfluss der Kirche in Bezug auf aktuelle Entwicklungen genutzt werden soll, oder ob solche Entwicklungen überhaupt stattfinden dürfen, oder welche grässlichen Folgen sich für die Kirche und ihre Anhänger ergäben, würden diese Entwicklungen einfach ignoriert. Tebrit wird kein Blut an seinen Händen haben, falls es zu einem neuen Krieg kommen sollte, weil er nichts tun konnte, um ebendiesen zu verhindern.
    Von mir hingegen wird erwartet, dass ich Entscheidungen fälle. Und ich habe keine Möglichkeit, mir dabei nicht die Hände mit Blut zu beschmutzen. Ich besitze nicht das Privileg der Unbeflecktheit.«
    Silberdun lehnte sich zurück und nickte. »Jetzt verstehe ich. Everess braucht Eure Informationen. Und Ihr habt beschlossen, Euch dafür bezahlen zu lassen. Er hat zugestimmt, mich für die Rolle zu besetzen, die ihm für mich vorschwebt, da er weiß, dass ich als Euer Interessenvertreter agieren werde, und im Gegenzug werdet Ihr ihm Informationen

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