Schattenspäher
ohne weitere Vorkommnisse. Es war ein zweistöckiges Backsteinhaus, das auf einem halbkreisförmigen Vorsprung stand, der weit über die unteren Ebenen ragte. Von hier aus hatte man einen wunderbaren Blick über die Stadt Preyia. Gebäude wie dieses wurden Bugvillas genannt, wie Silberdun seinen Gefährten erklärte, weil sie am begehrtesten Bauplatz der fliegenden Stadt errichtet worden waren. Die Häuser hier überragten alle anderen in der Stadt, und, was noch wichtiger war, waren windwärts gelegen, weshalb es hier in den Sommermonaten niemals schlecht roch.
Eine schlanke Frau in einem teuer wirkenden Seidenkleid öffnete ihnen die Tür. Sela hätte viel für ein solches Kleid gegeben. Sternenlicht, die Schauspielerin in Haus Katzengold, hatte ein ähnlich kostbares Gewand besessen.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte die Frau.
»Wir sind hier, um von Hy Diret ein Paket in Empfang zu nehmen«, sagte Silberdun. Es war das vereinbarte Zeichen.
»Natürlich«, sagte die Frau. »Es muss hier irgendwo sein. Kommt doch herein.« Ihre Antwort bedeutete, dass alles in Ordnung war. Hätte sie »Kommt später wieder« gesagt, wäre ihre Mission in ernster Gefahr gewesen.
Sela kam zu dem Schluss, dass ihr Auftrag leicht werden würde.
»Willkommen«, sagte die Frau. »Ich heiße Elspet und freue mich, Euch zu sehen.« Sie geleitete die drei ins Innere. Das Haus war elegant, doch sparsam möbliert.
»Wir tun, was wir können, um den Schein zu wahren«, erklärte Elspet, als sie Selas erstauntes Gesicht bemerkte. »Mein Mann leitet die Zentralbank, und da erwartet man natürlich einen gewissen Lebensstandard von uns.«
»Wieso?«, fragte Eisenfuß.
»Aba erwartet, dass wir ein genügsames Leben führen«, sagte Elspet. »Mit dem ganzen Prunk und Protz könnten viele Arme am Leben erhalten werden. Doch mit dem Vermögen, das wir anhäufen, können wir mehr Gutes tun, als wenn wir gar nichts verdienen würden.«
Silberdun wirkte schwermütig, als Elspet dies sagte, und Sela verstand nicht, aus welchem Grund.
»Doch Ihr seid ja nicht wegen mir gekommen«, sagte Elspet. »So lasst mich Euch nun zu Timha bringen. Wir Ihr Euch vorstellen könnt, brennt er darauf, Euch kennen zu lernen.«
Sie führte das Trio durchs Haus und hinaus auf eine große Terrasse, die fast so groß war wie ganz Haus Katzengold und von der aus man die Vorderflanke der Stadt überblickte. Es gab hier sogar einen kleinen Garten mit Rasenfläche; an einer irgendwie fehl am Platze wirkenden Spiere, die aus dem Boden des Balkons ragte, waren Blumenkästen angebracht.
Am hinteren Ende der Terrasse befand sich ein kleiner Privatanleger, an dem eine schnittige Luftbarke festgemacht war. In der Nähe des Hauses stand eine Remise, von der ein hölzerner Steg zu einem Tor führte, durch das man seitlich ins Hauptgebäude gelangte.
Zusammen mit Elspet stiegen sie die Stufen in den zweiten Stock der Remise hinauf. »Hier wohnt er«, sagte sie junge Frau. Sela drehte auf dem Treppenabsatz um und war einmal mehr begeistert von der Aussicht, die man hier hatte. Sie sah hoch oben den Mond und die Sterne, sie sah die Erde tief unter sich, und nichts verstellte den Blick auf diese Wunder. Es war, als flöge sie selbst durch die Nacht.
Sie gingen hinein. Gedämpfte Hexenlichter erleuchteten ein kleines Gästehaus mit einem Bett, einem Tisch und einer bescheidenen Kochstelle. Auf dem Bett saß der wohl nervöseste Mann, den Sela je getroffen hatte. Timha war blass und hager, und seine kastanienbraune Robe schien viel zu groß für seinen ausgemergelten Körper. Sein Haar war ungewaschen und ungekämmt, und sein Blick wirkte lauernd.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als sie eintraten. »Seid Ihr diejenigen«, fragte er. »Seid Ihr diejenigen, die mich nach Seelie bringen werden?«
»Die sind wir«, sagte Silberdun.
»Oh, danke schön.« Timha schien vor Erleichterung förmlich in sich zusammenzufallen.
»Also?«, rief er aufgeregt. »Dann mal los!«
»Nicht so hastig«, sagte Eisenfuß. »Bevor wir gehen, muss ich erst einen Blick auf Eure Pläne werfen.«
Timha erbleichte. »Pläne? Wieso? Dafür haben wir doch keine Zeit. Und Ihr würdet sie ohnehin nicht verstehen.« Wieder benetzte er seine Lippen. »Das sind hochwissenschaftliche thaumaturgische Dokumente und kein Bauplan für ein Baumhaus oder so.«
»Vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen«, sagte Eisenfuß. »Ich bin Meister Styg Falores, Mitglied der Alpaurle-Gesellschaft an der
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