Schattenspäher

genug Zeit geben, die Luftbarke zu erreichen«, meinte Eisenfuß.
    »Hast du eine bessere Idee?«, fragte Silberdun. »Mein alter Freund Mauritane konnte fliegende Armbrustbolzen aus der Luft holen, eine Kunst, die ich leider nicht beherrsche.«
    »Insofern wollen wir hoffen, dass uns nicht nur Hände, sondern auch innere Organe nachwachsen werden«, sagte Eisenfuß.
    »Kommt jetzt herunter«, rief der Feldwebel der Stadtwache, »oder wir eröffnen das Feuer.«
    »Jetzt!« Silberdun hob die Hand, wie um sich zu ergeben, und Sela wandte den Blick ab.
    Die Luft um sie herum explodierte in gleißendem Licht. Sie schloss die Augen, doch die Helligkeit drang selbst durch ihre Lider und schickte blaue und rote Funken durch ihr Blickfeld.
    Unten begannen Männer zu schreien. Sela konnte nicht anders und öffnete die Augen.
    Der gesamte Balkon erglühte weiß, als wäre Silberdun die Sonne selbst. Die Wachen stolperten hin und her, fassten sich an die Augen, warfen perfekte Schatten auf die Wand hinter sich. Auch der Feldwebel tastete blind umher; sein Gesicht war hellrot.
    »Was hast du getan?«, fragte Eisenfuß. Fassungslos starrte er auf die Männer, als das grelle Licht allmählich erstarb.
    »Das war ein bisschen Hexenlicht?«, bemerkte Timha. »So was hab ich ja noch nie gesehen.«
    »Ah.« Silberdun schaute hinab auf die Szene, die sich vor ihnen abspielte.
    »Wir müssen gehen«, sagte Eisenfuß. »Bevor noch Verstärkung kommt.«
    Unter ihnen taumelten die Wachen noch immer wie geköpfte Hühner und zu Tode erschrocken umeinander; die meisten suchten instinktiv nach Schutz.
    »Du hast sie geblendet«, sagte Sela.
    »Er hat mehr als nur das getan«, sagte Eisenfuß. »Sieh dir ihre Gesichter an.«
    Sela tat es und stellte fest, dass die Gesichter der Wachen verbrannt wirkten.
    »Rückzug!«, brüllte in diesem Moment der Feldwebel. Die Männer versuchten zu fliehen.
    Silberdun ging auf der Treppe voran. Dabei pflückte er die Armbrust eines Wachmannes vom Boden und eilte auf die Luftbarke zu. Eisenfuß hielt sich in seinem Schatten, und Timha folgte ihnen mit gesenktem Blick.
    Sela rannte zu Elspet und half ihr auf. Da sie am Boden kniend den Kopf hatte beugen müssen, hatte sie ihr Augenlicht behalten, obwohl sie im Moment offenbar nicht viel sah.
    »Kommt mit uns«, flüsterte Sela.
    »Das kann ich nicht«, sagte Elspet. »Ich werde ihnen sagen, dass Ihr hier eingebrochen seid. Mein Mann ist sehr einflussreich. Sie werden mir glauben, zumal ich selbst eine sehr wichtige Aufgabe hier habe.«
    Sie packte Sela am Arm. »Schafft ihn hier raus, oder das alles wird vergebens gewesen sein.«
    Sela wandte sich um und rannte auf ihre Gefährten zu. Die kletterten gerade an Deck der Luftbarke.
    »Komm schon!«, rief Eisenfuß.
    Einer der Wachleute feuerte seine Armbrust in die Richtung ab, aus der die Stimmen kamen, und das Geschoss bohrte sich in den Mast direkt neben ihnen. Silberdun hob seine gestohlene Armbrust und feuerte zurück. Die Wache fiel um wie ein gefällter Baum.
    Sela rannte weiter auf die Landeplattform zu. Sie hatte es fast geschafft, als sich eine Faust um ihr Handgelenk schloss und sie auf dem Holzboden zu Fall brachte. Es war der Feldwebel, der sie, obwohl blind, zu packen gekriegt hatte.
    »Ihr geht nirgendwo hin!«, brüllte er.
    »Hilfe«, schrie Sela in Richtung Silberdun.
    Auf der Luftbarke vollführte Eisenfuß eine schnelle Handbewegung. Etwas sauste durch die Luft, dann gab der Feldwebel ein würgendes Geräusch von sich. Sein Griff um Selas Handgelenk lockerte sich.
    Sie drehte den Kopf und sah, dass Eisenfuß' Dolch in der Kehle des Wachmanns steckte. Sie rappelte sich auf und stolperte die letzten Meter auf die Luftbarke zu. Silberdun zog sie an Bord. Mit einem anderen Messer durchschnitt Eisenfuß die Leine. Das Fluggerät hob sich ruckartig ein Stück in die Luft; Sela ging erneut zu Boden.
    Eisenfuß machte etwas mit dem Hauptsegel, und die Luftbarke wendete. Plötzlich war da Wind, wo vorher kein Wind gewesen war, und die Stadt entfernte sich Meter um Meter von ihnen. Plötzlich drehte die Luftbarke scharf in den Windschatten der Stadt ein, drohte fast zu kippen.
    Eisenfuß ergriff das Steuerrad und drehte es. Von unten ertönte ein Knirschen, dann brachte sich das Flugschiff wie von selbst wieder in die richtige Lage. Die Stadt rückte nun rasch in immer weitere Ferne.
    »Ich kann nicht glauben, dass wir da rausgekommen sind.« Timha stieß ein nervöses Lachen aus. »Keine Ahnung, wie