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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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nicht hierher, und doch konnte ich nicht sagen, wohin du wirklich gehörst. Und was die Investition betrifft, Sela ...«
    Er schien nach den rechten Worten zu suchen, gab es dann aber auf. »Ja, das ist natürlich auch zutreffend. Man gelangt nicht dorthin, wo ich heute stehe, wenn man die Natur der Leute nicht begreift und erkennt, was zu tun ist, damit sie, ähm, einem zweckdienlich sind.«
    »Wie edelmütig.«
    Everess ignorierte ihre Bemerkung. »Doch du musst mir glauben, Sela, dass mir wirklich etwas an dir liegt. Mehr als du denkst. Und ich möchte, dass du glücklich bist.«
    Konnte das wahr sein? Möglicherweise glaubte er das wirklich.
    »Wie dem auch sei, ich hab einen Ort für dich gefunden. Einen Ort, an dem du deine Talente nutzen und auch von Nutzen für mich sein kannst. Ein Ort, an dem du wirklich gebraucht wirst. Na, würde dich das interessieren?«
    Sela verzog spöttisch das Gesicht. »Was spielt das für eine Rolle? Ich hab doch ohnehin nicht zu bestimmen, wo man mich hinschickt.«
    »Ja, das stimmt. Du bist ein Mündel der Krone. Und ich bin von Rechts wegen dein Vormund und Erzieher. Das ist eine Angelegenheit, die sich meines Einflusses gänzlich entzieht und an der ich auch nichts ändern würde, selbst wenn ich's könnte. Dennoch hast du im Hinblick auf mein Angebot die freie Entscheidung.«
    »Warum?«, rief Sela aufgebracht. »Warum das alles? Was wollt Ihr denn bloß von mir?«
    Wieder lächelte Everess. »Ich möchte, dass du die Welt rettest, mein Liebes. Meinst du nicht auch, dass du dich damit sehr nützlich machen würdest?«
    Nach dem Gespräch mit Everess hatte Sela das Gefühl, dass sie nun weniger wusste als zuvor. Als sie auf ihr Zimmer zurückkehrte, packten einige Angestellte gerade ihre Sachen in nagelneue Koffer. Besser gesagt, in einen neuen Koffer, denn sie besaß nicht genug, um auch die anderen zu füllen. Vier Kleider, ein Hut, ein Gedichtband, ein Handspiegel, ein bisschen Unterwäsche. Das war's. Mehr hatte sie bisher nicht ihr Eigen nennen dürfen. Wortlos schloss einer der Bediensteten den Koffer und trug ihn aus dem Zimmer. Der andere bedeutete ihr, ihm zu folgen.
    Draußen hatte sich der Wolkenbruch zu einem Nieselregen abgeschwächt. Everess stand bei seiner Kutsche, ein edles Gefährt und gerade passend für einen Adligen seines Formats. Er winkte Sela zu sich.
    Das war typisch Everess. Während er noch von Möglichkeiten und absoluter Entscheidungsfreiheit faselte, ließ er nebenan schon die Koffer packen.
    Die Kutschfahrt war eine holprige und unerfreuliche Angelegenheit. Das neue Kleid, das Everess ihr gekauft hatte, war steif und kratzte an Hals und Handgelenken, obwohl sie die Glimmer-Mohnblüten liebte, die von einer unsichtbaren Brise vorangetrieben über den Rock wehten. Die Schuhe waren auch so eine Sache. Abscheuliche, bösartige Dinger, die ihr die Zehen zusammenpressten und sie in die Fersen bissen. In Haus Katzengold hatte sie beständig Pantoffeln getragen und darüber ganz vergessen, dass es so was Niederträchtiges wie Ausgehschuhe überhaupt gab. Einmal hatte sie sich schlimme Blasen an den Füßen geholt, als sie Schuhe getragen hatte, die sogar noch mondäner waren als diese hier. Aber das war schon sehr lange her.
    Nach fast einer ganzen Tagesreise ging die Mechesyl Uberlandstraße in eine breite Trasse mit mehreren Fahrspuren über. Hier war eine Menge los. Die meisten Gefährten waren stadtauswärts unterwegs. Es waren vor allem Hausierer und Händler mit ihren Eseln und Karren, die mit allem Möglichen beladen waren. Sela entdeckte Töpferwaren, Pfannen, Käseräder, Würste, Zauberamulette mit verschlungenen Mustern, Tränke, Stiefel, Gürtel, winzige Singvögel, Mäuse, Holzspielzeug. Sie alle kehrten vom Großen Markt zurück, der gleich vor den Toren Smaragdstadts lag. Sela sah auch Soldaten zu Pferde, die mit schlafwandlerischer Sicherheit in Formation ritten - die blau-grauen Uniformen der Seelie-Armee, die dunkelroten der Königlichen Garde. Ab und an kamen ihnen auch einige ebenfalls sehr elegante Zweispänner entgegen, die auf dem Rückweg in die umliegenden Dörfer waren. In den meisten Kutschen waren die Vorhänge geschlossen. Gezogen wurden sie von nahezu identisch aussehenden schneeweißen Stuten (etwas, das laut Everess momentan der letzte Schrei war, wobei er stolz auf sein eigenes edles Gespann deutete). Sela sah auch einzelne Reiter und ganze Gruppen von rauen Gesellen, die mit Schwertern und Messern bewaffnet waren. Und

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