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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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nur.
    Everess lachte laut auf. Für ihn war sie so etwas wie ein tollendes Hündchen, nicht mehr. »Schonungslos ehrlich, wie immer, ja. Dieser Ort vermochte dir dies nicht abzugewöhnen.«
    »Ich bin, was ich bin«, sagte Sela.
    Everess sah sie an, schmauchte seine Pfeife und schwieg, bis die Stille zwischen ihnen mit Händen zu greifen war.
    Schließlich fragte er: »Und was wünschst du dir?«
    »Wie bitte?«
    »Für dich selbst. Was wünschst du dir für dich selbst?«
    »So was hat mich noch nie jemand gefragt.« Sela versuchte sich zu erinnern. Ja, es stimmte. Nie im Leben hatte irgendjemand von ihr wissen wollen, was sie wollte. Nicht das und auch nichts anderes von Wichtigkeit.
    »Nun, eine so schwierige Frage ist das nicht, wenngleich für dich wohl neu«, erwiderte Everess ein wenig ungehalten. »Wenn du Haus Katzengold so sehr hasst, wie du sagst, wo würdest du denn stattdessen lieber sein?«
    Sela starrte ihn an. »Ihr solltet doch am besten wissen, dass ich diese Frage nicht beantworten kann.«
    Everess lächelte. Natürlich wusste er das. Aber er wollte sichergehen, dass sie wusste, was sie ihm schuldig war, bevor er sein Ansinnen vorbrachte.
    Sela entschied, die Frage dennoch zu beantworten. »Ich möchte von Nutzen sein«, sagte sie. Sie setzte sich wieder und faltete die Hände über dem Schoß. Der Musselinstoff ihres Rocks raschelte leicht. »Ich möchte ... gut sein. Gutes tun.«
    »Aha«, meinte Everess. »Und was heißt das genau?«
    »Ich möchte, dass mein Leben ... eine Bedeutung hat. Ich spüre, wie die Stunden, Tage, Jahre verstreichen, und nichts von dem, was ich tue, hat für irgendjemanden auch nur die geringste Bedeutung. Es ist, als ob ich gar nicht existiere. Und manchmal wünsche ich mir sogar, es wäre so.«
    Everess zog sich einen Stuhl neben das Zweiersofa, auf dem Sela saß, nahm darauf Platz und lehnte sich zu ihr vor. Dann nahm er ihre kalten Hände in die seinen, die warm und fleischig waren. Sein Atem roch nach Tabak und Schnaps.
    »Sela«, sagte er. »Was wäre, wenn ich dir eine Möglichkeit eröffnete, nützlich und gut zu sein? Nützlicher als du dir vermutlich vorstellen kannst?«
    Was für ein Spiel spielte dieser Everess mit ihr? Was für eine Laune trieb ihn dazu? Seit Sela in Haus Katzengold war, hatte Everess sie von Zeit zu Zeit besucht. Sie hatten Dame gespielt. Er hatte sich höflich nach ihrem Befinden erkundigt und dafür gesorgt, dass man sie anständig behandelte. Doch sie hatte nie den Eindruck gewonnen, dass er sie gern hatte oder sich gar um sie sorgte. Sie war ihm eine Verpflichtung, und obwohl sie nie verstanden hatte, was für eine Verpflichtung, kannte sie doch den Grund. Es war dies jedoch nicht derselbe Grund, aus dem Lord Tanen sie erzogen und so viel in ihre Ausbildung investiert hatte. Doch es hatte irgendwie damit zu tun, das spürte sie.
    »Ihr habt mich missverstanden, Lord Everess«, erwiderte Sela steif. »Ich sagte nicht, ich wolle benutzt werden, sondern dass ich mir wünsche, nützlich zu sein.«
    Wieder dieses Lächeln. Nichts, das sie jemals zu ihm gesagt hatte, vermochte dieses Lächeln zum Verblassen zu bringen. Irgendwann, dachte sie, würde es ihr schon noch gelingen.
    »Ich entschuldige mich in aller Form, kleines Fräulein.« Everess ließ ihre Hände los und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich wollte nichts dergleichen andeuten.«
    »Dann sollten wir aufhören, um den heißen Brei herumzureden«, sagte Sela. »Was wollt Ihr von mir?«
    Everess erhob sich und begann im Zimmer herumzulaufen, betrachtete den Kaminvorbau, schnüffelte an der Wandverkleidung. »Wie lange bist du nun schon in Haus Katzengold, Sela?«
    Noch mehr heißer Brei, nun gut. »Zehn Jahre.« Sie hätte ihm sogar die genaue Zahl der Tage sagen können.
    »Weißt du, warum ich dich hierhergebracht habe?«
    »Ich hab da so eine Vermutung«, sagte Sela. »Zunächst nahm ich an, Ihr wäret einfach nur freundlich. Damals wusste ich noch nicht viel über Freundlichkeit. Später dann kam ich zu der Überzeugung, dass Ihr schlichtweg nichts mit mir anzufangen wusstet. Doch heute kenne ich den wahren Grund.«
    »Und der wäre?«
    »Ihr dachtet, Eure Investition in mich würde irgendwann mal Früchte tragen. Und nun ist dieser Tag gekommen.«
    »Nun«, sagte Everess gedehnt. »Alle drei Annahmen treffen mehr oder weniger zu. Ich war und bin dir sehr zugetan, Sela. Und es gab Zeiten, da wusste ich in der Tat nicht, was aus dir werden sollte. Du gehörst eigentlich

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