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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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zog erneut sein Messer, um eine Vorwärtsattacke gegen Katze auszuführen, die Stofftasche mit Jeniens Kopf behutsam in der anderen Hand wiegend. Katze machte sich bereit, den Angriff abzublocken, aber der Angriff erfolgte nicht. Stattdessen nutzte Paet seinen Schwung, stieß sich mit seinem hinteren Fuß vom Boden ab und sprang rückwärts durch das Fenster ins Freie. Durch das Fenster im dritten Stock.
    Den Blick zum Nachthimmel gewandt, stürzte er in die Tiefe und sah den näher kommenden Boden nicht. Er kalkulierte im Geiste seine Überlebenschancen. Der Fall schien eine Ewigkeit zu dauern. Er konzentrierte sich erneut, verlangsamte seinen Herzschlag, ließ seine Muskeln erschlaffen. Er zwang sogar seine Knochen dazu, weicher und damit biegsamer zu werden, wusste allerdings nicht, ob das eine gute Idee war oder ob es überhaupt funktionieren würde.
    Schließlich knallte er mit dem Rücken hart aufs Kopfsteinpflaster, in eben dem Winkel, den er sich ausgerechnet hatte. Gleichzeitig schlug Jeniens Kopf in der Tasche mit einem enervierenden, dumpfen Knall auf dem Boden auf. In der Eile hatte Paet das Messer in seiner linken Hand völlig vergessen. Jetzt spürte er, wie ihm der Griff durch den Aufprall das Handgelenk zertrümmerte. Wie viele Knochen wirklich brachen, konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Mehr als einer, so viel war klar. Noch verspürte er keinen Schmerz, aber der würde sich in wenigen Sekunden einstellen - auch das war klar.
    Im Moment beschäftigte ihn jedoch vor allem der Schmerz entlang seiner Wirbelsäule, zudem die Tatsache, dass er nicht atmen konnte, wie auch der Umstand, dass sein Hinterkopf gerade mit einem hässlichen Geräusch auf den Steinen aufschlug. Möglicherweise war der errechnete Aufprallwinkel doch nicht so optimal gewesen ... Egal, er lebte, und seine Beine konnte er auch noch bewegen, das war alles, was zählte.
    Er rappelte sich langsam auf und sah am Haus hinauf. Katze zog gerade seinen Kopf aus dem Fluchtfenster zurück. Das Wachspapier der zerstörten Scheibe trudelte unter dem Windzug, der durch die Gasse blies, in einem verrückten Tanz zu Boden. Schon konnte er Schritte im Treppenhaus hören; einen Moment später trat Natter hinaus auf die Straße. Paet schnappte sich die Tasche mit Jeniens Kopf und rannte los.
    Blindlings jagte er aus der Sackgasse und wandte sich dann aus keinem besonderen Grund nach rechts. Er würde sich für seinen Rückzug Richtung Westen halten müssen; das war jedoch weder auf dem schnellsten noch auf dem sichersten Wege möglich. Er musste willkürliche Haken schlagen, wahllos hier und da abbiegen, lästigerweise im Kreis laufen, um die beiden Bel Zheret irgendwie abzuschütteln. Und die würden bei ihrer Verfolgung all diese Finten bereits in Betracht ziehen können, während Paet noch darüber nachdachte. Sie waren in der Überzahl, nicht auf der Flucht, und keiner von ihnen war drei Stockwerke tief aufs Pflaster geknallt. Das waren handfeste Vorteile, von denen Paet beim besten Willen nicht wusste, wie sie seinen Verfolgern doch noch zum Nachteil gereichen konnten. Auf der anderen Seite, und das konnte ihm nutzen, geriet die Nacht, in die er sich flüchtete, von Minute zu Minute chaotischer.
    Er lief weiter. Das Klingeln in seinen Ohren, das der Sturz verursacht hatte, wurde abgelöst von schnellen Schritten und Hufschlägen sowie Geschrei. Er roch Rauch; irgendwo in der Nähe brannte ein Gebäude. Auf einigen der Gesichter, die an ihm vorbeizogen, war die Sorge der Panik gewichen. Die Unseelie waren nicht länger unterwegs hierher, sie waren da. Und das Leben in Annwn würde sich auf immer ändern.
    Paet bog um eine weitere Ecke. Vor ihm lag eine breite Straße, die zurück zum Kollws Kapytlyn führte. Er merkte, dass er immer noch das Messer mit seiner linken Hand umklammerte. Im nächsten Moment stieß er heftig mit dem Handkarren eines Töpfers zusammen, der in die andere Richtung gezogen wurde. Seine Sicht verschwamm, und ihm wurde übel, als der Schmerz des gebrochenen Handgelenks sich seinen Arm hinauffraß und ihm auf den Magen schlug. Er lief weiter und erwog, die Tasche fallen zu lassen. Er konnte sich nicht verteidigen, solange er sie bei sich trug.
    Als er sich über die Schulter blickte, sah er, wie Natter ebenfalls auf den Markt einbog. Der Bel Zheret entdeckte ihn ebenfalls und hielt auf ihn zu. Dabei schleuderte er den Karren eines Obsthändlers mit einer Leichtigkeit aus dem Weg, die Paet zusammenzucken ließ.

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