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Schattenspur

Schattenspur

Titel: Schattenspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Laue
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seiner Stirn, das Blut auf seiner Brust. Wie sie Wayne gesagt hatte, war dieser Mann nicht ihr Vater gewesen. Sie empfand ihn nicht mal als ihren Erzeuger, obwohl er das rein biologisch war. Sie fühlte nur tiefes Mitleid mit jedem Menschen, der direkt oder indirekt sein Opfer geworden war.
    Sie fand den Schlüssel und schloss die Box auf. Wayne hielt sie zurück, als sie die Gefäße öffnen wollte.
    „Gibt es irgendeine Möglichkeit, den, eh, Übergang, die Rückkehr der Se e len in ihre Körper schonend zu gestalten? Rupert Solomon hat möglicherwe i se den Verstand verloren. Ich möchte, wenn es geht, vermeiden, dass andere dasselbe durchmachen müssen.“
    Kia schüttelte den Kopf, war aber tief berührt von Waynes Sorge um die Opfer. „Das hat nichts mit der Art der Rückkehr zu tun. Ob jemand nach diesem Erlebnis den Verstand verliert oder nicht, hängt allein von seiner inneren Kraft ab. Die einen wachen einfach wieder auf und reagieren abges e hen von ein bisschen Verwirrung und Orientierungslosigkeit völlig normal, andere verlieren den Verstand.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Man kann es leider nie voraussagen.“
    Er sah ihr in die Augen. „Klingt so, als hättest du Erfahrung.“
    Sie nickte und fühlte sich unerklärlich schuldig, obwohl sie persönlich ni e mals dergleichen getan hatte. „Ich musste oft genug zusehen, wie Louis Me n schen damit gequält hat, um seine Macht zu demonstrieren. Es tut mir leid.“
    Er nahm sie in die Arme und streichelte ihren Rücken. „Es war nicht deine Schuld. Niemals.“ Er küsste sie auf die Wange. „Befreien wir sie also. Nur bei Travis will ich dabei sein, wenn er wieder zu sich kommt.“
    Er nahm den Pot-de-tête aus der Box, bei der er an der daran befestigten Uhr erkannte, dass sie die Seele seines Partners enthielt. Er strich sanft über die Oberfläche. Kia öffnete die anderen Behälter. Wie bei der Seele, die Louis freigelassen hatte, spürte sie für ein paar Sekunden die Präsenz mehrerer I n dividuen im Raum, ihre Freude und Erleichterung, ehe sie verschwanden, um zu den Körpern zurückzukehren, in die sie gehörten.
    Es war vollbracht.
    Erst jetzt begann sie, die Erschöpfung in vollem Umfang zu fühlen, die die Ereignisse des Tages verursacht hatten. Wayne legte den Arm um sie und sie ihren um seine Taille. Sie lockerte die Umarmung, als er zusammenzuckte und schmerzhaft das Gesicht verzog.
    „Gehen wir.“
    Sie sah ihn an. „Was passiert als Nächstes?“
    „O’Hara wird Leute schicken, die hier aufräumen, alles asservieren und a k ribisch untersuchen. Sie wird auch alle diplomatischen Verwicklungen r e geln, sollten sich welche ergeben.“
    Kia konnte sich nicht vorstellen, dass der Tod von zwei Haitianern in S a vannah keine ergab. Bis sie flüchtig Waynes Überlegung wahrnahm, dass die FBI-Abteilung, zu der er gehörte, Mittel und Wege besaß, Leichen und bela s tende Spuren unauffindbar verschwinden zu lassen oder die Behörden davon zu überzeugen, dass die Opfer unter ganz anderen als den tatsächlichen U m ständen zu Tode gekommen waren. Wie sie das machten, war Kia egal. Sie wollte nur weg hier und sich irgendwo ausruhen.
    Vorher hatte aber nicht nur Wayne seinem Partner die Seele zurückzug e ben. Kia musste sich um ihre Großmutter kümmern, denn Louis hatte sich bei ihr nicht nur damit begnügt, ihr die Seele zu rauben.
    Sie fuhr Wayne mit Tante Lavenders Buick zu der Stelle, wo er seinen Dodge abgestellt hatte. „Bis du sicher, dass du fahren kannst?“, vergewisserte sie sich.
    Er lächelte. „Mach dir keine Sorgen. Ich war schon schlimmer angeschl a gen. Wir treffen uns vor dem Krankenhaus.“
    Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern stieg ein und fuhr los. Kia folgte ihm.
     
    *
     
    Sie trafen Dr. Singer, als sie das Zimmer von Travis Halifax verließ. „Mein Gott, wie sehen Sie denn aus?“, entfuhr es ihr bei Waynes Anblick, dessen Gesicht an der rechten Seite mit vertrocknetem Blut verklebt war.
    „Mein Schädel hat unangenehme Bekanntschaft mit einem Knüppel g e macht. Sie haben doch bestimmt ein Mittel gegen Kopfschmerzen? Auße r dem könnte ich was gegen Prellungen brauchen. Meine Rippen haben was abbekommen.“
    Sie nickte. „Das sehe ich mir aber erst genauer an. Vor allem werden wir Ihren Schädel röntgen. Schwester Susan!“
    „Nur keine Umstände“, wehrte Wayne ab.
    Er käme sich wie ein Jammerlappen vor, hatte er Kia draußen gesagt, als sie darauf bestand, dass er sich untersuchen ließ.

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