Schattenspur
hatten in die Welt setzen wollen. Aber wenn er sich einen Bruder hätte aussuchen können, wäre seine Wahl auf Travis gefa l len. Einen besseren und engeren Freund konnte es nicht geben. Ganz abg e sehen davon, dass Travis sein einziger Freund war. Und das lag keineswegs nur daran, dass er als Einziger bereit gewesen war, mit Wayne als Partner zusammenzuarbeiten. Er erinnerte sich an jenen Tag vor knapp vier Jahren, als O’Hara, nachdem sie die Leitung des DOC übernommen und Strategien entwickelt hatte, ihre Agents möglichst effektiv einzusetzen, alle Field Agents zusammengerufen hatte, auch die nicht paranormal Begabten. Wie alle and e ren hatte Wayne geglaubt, dass sie nur ihre neuen Pläne präsentieren wollte. Stattdessen ging es bei diesem Treffen um ihn.
„Ladys und Gentlemen, wie einige von Ihnen bereits wissen, ist Ihr Kollege Agent Scott Telepath. Mir ist bewusst, dass manche deshalb Probleme haben, mit ihm zusammenzuarbeiten.“
Wayne wäre in dem Moment am liebsten im Boden versunken und hatte es vermieden, irgendjemanden anzusehen. Und fast alle anderen hatten ihrerseits vermieden, ihn anzusehen.
„Ich wünsche deshalb, dass diejenigen unter Ihnen, die keine Berührung s ängste ihm gegenüber haben, sich bei mir melden, damit ich weiß, wen von Ihnen ich ihm in Fällen, in denen sein Talent gebraucht wird, als Partner zur Seite stellen kann, ohne dass es Probleme gibt, unter denen am Ende die Fälle leiden müssen. Sie müssen sich nicht sofort melden, sondern können mir gern eine E-Mail mit Ihrem Statement schicken.“
Travis, dem er erst ein paarmal flüchtig begegnet war und nicht mehr über ihn wusste als seinen Namen, war spontan aufgestanden. „Nicht nötig, Ma’am. Ich habe keine Probleme damit, mit einem Telepathen zusammenz u arbeiten.“ Er hatte Wayne grinsend zugezwinkert. „Agent Scott ist einer von uns und wird wohl kaum die Gedanken seiner Kollegen ausspionieren, a n dernfalls er keiner von uns wäre. Also, Scotty, wenn Sie keine Probleme d a mit haben, mit jemandem zu arbeiten, der die Vergangenheit sehen kann, sind wir ab sofort Partner. Wenn SAC O’Hara zustimmt.“
O’Hara hatte zugestimmt und ihm Travis als permanenten Partner zug e teilt. Nur in den seltenen Fällen, in denen Retrospektion nicht gebraucht wurde, was erst zweimal vorgekommen war, bekam Wayne jemand anderen zugeteilt. Als Wayne sich damals bei Travis für seine Bereitschaft bedankt hatte, mit ihm zu arbeiten, und ihm versichern wollte, dass er wirklich niemals ohne Erlaubnis oder zwingende Notwendigkeit seine Gedanken lesen würde, hatte der abgewinkt.
„Wenn die Anwendung Ihrer Gabe nur halb so anstrengend ist wie meine, sind Sie mindestens so froh wie ich, wenn Sie die nicht anwenden müssen. Fragen ist erheblich unkomplizierter. Aber wenn ich mal zu faul zum An t worten bin“, er hatte Wayne zugezwinkert, „lesen Sie ruhig meine Gedanken. Und viel Spaß dabei.“
Seitdem benutzte Travis diese Aufforderung jedes Mal, wenn er Wayne entweder aufmuntern oder ihm sein uneingeschränktes Vertrauen ausspr e chen wollte. Und manchmal auch, um ihn aufzuziehen. Travis’ seit damals ungebrochene Loyalität und die Freundschaft, die sich zwischen ihnen entw i ckelt hatte, hatte Wayne längst darüber hinweggetröstet, dass er der Einzige geblieben war, der sich gemeldet hatte.
Travis blickte ihn auffordernd an. „Okay. Wie gehen wir weiter vor?“
„Ich werde versuchen, Durant telepathisch aufzuspüren. Nach allem, was wir bis jetzt wissen, glaube ich, dass er der Telepath sein könnte, dem ich heute Morgen bei Alma Renard begegnet bin.“
Travis blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wie sicher bist du dir?“
„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich hier noch ein dritter Tel e path herumtreibt?“, konterte Wayne. Er winkte ab. „Ich habe sozusagen seine telepathische Witterung aufgenommen. Da er bisher ausschließlich Leute aus diesem Viertel heimgesucht hat, können wir davon ausgehen, dass er nicht von diesem Muster abweichen wird. Mit etwas Glück kann ich lokalisieren, wo er sich aufhält.“
Travis nickte. „Mach es dir bequem. Ich halte die Stellung.“ Wayne zog se i ne Schuhe aus und die Beine an und nahm den Schneidersitz ein, in dem er stundenlang in Trance bleiben konnte, ohne dass ihm die Beine einschliefen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Sessellehne, legte die Hände locker auf die Oberschenkel und schloss die Augen. Er atmete ein paar Mal tief durch
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