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Schattenspur

Schattenspur

Titel: Schattenspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Laue
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und wappnete sich gegen die Gedankenflut, die gleich auf ihn einstü r zen würde. Als er sich bereit fühlte, sich ihr zu stellen, öffnete er seinen Geist.
    Gedanken brandeten auf ihn ein wie eine Tsunamiwelle. Wayne hatte das Gefühl, von ihr verschlungen und mitgerissen zu werden. Bildfetzen, Wor t fetzen, Satzfetzen, ganze Sätze bei Leuten, die mit jemandem redeten und die Wörter unbewusst in Gedanken mitsprachen. Er bekam erheblich mehr Di n ge mit, als ihm lieb war. Den Sex, den das Paar im Zimmer unter ihnen au s lebte; den Streit des Ehepaars im Nebenzimmer; den Ärger eines Zimme r kellners, der zu wenig Trinkgeld bekommen hatte; die Langeweile des Ha n delsreisenden, der an der Bar einen Drink nach dem anderen kippte und sich fragte, welchen Sinn sein Leben hatte; und unzählige andere Dinge.
    Ich bin hier, Wayne.
    Travis’ Gedanke, mit dem er ihm Orientierung gab. Schließlich war dies nicht das erste Mal, dass Wayne eine solche telepathische Suche unternahm, während Travis bei ihm war und auf ihn achtete, um ihn beim geringsten Anzeichen, dass etwas nicht stimmte, aus der Trance zu holen. Der Gedanke gab ihm, was er brauchte, um sich zu fokussieren. Er drängte die Gedanke n flut zurück, ließ seinen Geist dazwischen und darüber schweben und konze n trierte sich auf das Muster, das er in dem Licht gefühlt hatte, dem er bei Alma Renard begegnet war. Er hatte schon lange herausgefunden, dass er die ve r schiedenen Gedankenstrukturen einzelner Menschen wie kaleidoskopart i ge Muster wahrnahm, von denen jedes so individuell war wie ein Fingera b druck. Einen Geist, den er einmal berührt und dessen Muster er gesehen hatte, konnte er zweifelsfrei unter allen anderen identifizieren.
    Er ließ seinen Geist durch die Stadt gleiten und erlebte den immer wieder faszinierenden Zustand, dass er für jeweils eine Sekunde oder einen Bruchteil davon durch die Augen der Menschen sah, deren Bewusstsein er berührte. Auf diese Weise nahm er wahr, was sie sahen: das Gesicht einer geliebten Frau, das Pflaster der Straße, die jemand entlangging, den schwarzen Inhalt eines Kaffeebechers, in den eine Frau schaute, den Fahrgast im Rückspiegel eines Taxifahrers …
    Nach einer Weile bemerkte er, dass einige Geister von einem hellen Schimmer umgeben waren, den er nie zuvor bei jemandem wahrgenommen hatte. Er brauchte eine Weile, um zu erkennen, dass dieser Schimmer von seiner Struktur her dem Licht ähnelte, das die Präsenz des Telepathen umg e ben hatte, und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Waren das Menschen, die eine latente telepathische Gabe besaßen? Falls ja, wären es viele. Sehr viele.
    Aber nach allem, was Professor Sullivan über paranormale Fähigkeiten g e sagt hatte, die durch sehr seltene Genmutationen in Verbindung mit einer noch selteneren Anomalie der Gehirnchemie entstanden, kamen statistisch zwei Fälle auf eine Million Menschen. Das bedeutete, dass es weltweit nur ungefähr vierzehntausend Menschen mit paranormalen Fähigkeiten gab. Hellsichtigkeit war davon mit Abstand die häufigste und schlug nach den Schätzungen der DOC-Analytiker mit neunundsechzig Prozent zu Buche. Darauf folgten die Telepathen mit elf Prozent, sieben Prozent entfielen auf Telekineten, die Dinge bewegen konnten, ohne sie zu berühren, drei Prozent waren Empathen, die nicht nur Gefühle anderer spüren, sondern sie auch beeinflussen konnten, zwei Prozent konnten teleportieren, zwei Prozent b e herrschten das Feuer und die restlichen drei Prozent verteilten sich auf and e re mehr oder weniger bekannte Gaben wie Retrospektion. Ein DOC-Agent, mit dem Wayne mal an einem Fall gearbeitet hatte, konnte das Wetter beei n flussen, besonders Gewitter und Blitze.
    Falls die Schätzungen stimmten, gab es weltweit nur etwa zweitausendfün f hundert Telepathen. Von denen konnten unmöglich an die Hundert hier in Savannah sitzen. Denn ungefähr so viele lichtumgebene Persönlichkeiten nahm er wahr. Nein, das Licht musste einen anderen Grund haben. Obwohl er sich scheute, einen so engen Kontakt einzugehen, beschloss er, eines dieser Lichter näher zu betrachten und nahm das Nächste, dem er begegnete.
    Er berührte den Geist eines Mannes, der intensiv daran dachte, wie sehr er sich wünschte, dass sein Vorgesetzter endlich aufhören würde, ihn zu schik a nieren. Er sprach ein inniges Gebet an Gott, ihm diesen Wunsch zu erfüllen und versprach, in dem Fall nie wieder etwas von Gott zu wünschen. Wayne nahm wahr, dass der Mann –

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