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Schattenstürmer

Schattenstürmer

Titel: Schattenstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Dunkelheit gewöhnt, sodass ich genug zu erkennen vermochte. Ich befand mich in einem großen Raum voller Regale an den Wänden. Die Bibliothek. Unter anderen Umständen hätte ich die Regale fraglos einer genaueren Prüfung unterzogen. Der Graf liebte Antiquitäten. Deshalb würde es mich auch nicht wundern, wenn sich hier Bücher aus dem Zeitalter der Träume fänden, vielleicht sogar aus dem der Vollendungen.
    Die schwere Flügeltür der Bibliothek ließ sich leicht öffnen. Ich lugte in den Gang hinaus. Alles leer. Ganz recht, zu dieser Zeit konnte man wahrlich nichts Besseres tun als schlafen. Zu meinem Unglück hatte ein eifriger Nichtsnutz allerdings Öllampen angezündet. Sie hingen vor jeder Tür, und die kleinen Flammenzungen zitterten unter den Glashauben.
    Nun kam der schwierigste Teil: Ich musste den langen Gang durchqueren, zur Galerie gelangen und mich von dort aus durch den Gang mit den Porträts ins Schlafgemach Balistan Pargaides schlagen. Danach hieß es nur noch, das zu erledigen, weswegen ich hier war, und dann den Rückweg anzutreten.
    Raschen Schrittes brachte ich den Gang hinter mich. Die Türen rechter und linker Hand waren verschlossen, aus den Zimmern drang kein Laut. Einmal zweigte ein Gang ab, der, soweit ich mich erinnerte, in den Dienstbotenflügel führte. Weil er dunkler war, spielte ich kurz mit dem Gedanken, in ihn einzubiegen. Das hätte jedoch einen längeren Weg bedeutet, weshalb ich von diesem Vorhaben lieber absah.
    Schließlich erreichte ich die Tür eines der Zimmer, durch die ich musste. Ich drückte auf die Bronzeklinke, aber da rührte sich nichts. Also musste ich mich der Nachschlüssel bedienen. Zu behaupten, mir sei nicht ganz wohl bei der Sache, wäre untertrieben. In einem Schloss herumzufummeln, während um dich herum Lampen brennen und jeder Nachtwandler dich vom anderen Ende des Ganges aus erkennen kann, ist nämlich keine angenehme Sache.
    »He! Was faselst du da, hicks? Hab ich nicht gesagt, hicks, dass …! Jawoll!«, erklang es gegenüber hinter einer Tür.
    »Du bist ja betrunken, O’Luck. Wo willst du jetzt hin?«
    »Pis… pissen, hicks, du Hohlkopf, hicks! Was glaubst denn du, hicks? Soll … verflucht! Soll ich vielleicht, hicks, gleich hier …? Ja?«
    Endlich gab das Schloss nach. Ich schlüpfte ins Zimmer und schloss die Tür hinter mir, bevor der Saufkopf die seine geöffnet hatte. Mit dem Ohr an der Tür lauschte ich, was sich im Gang tat. Der Mann kam aus dem Zimmer, der Teppich schluckte jedoch das Geräusch seiner Schritte.
    Das Gästezimmer meiner Wahl war leer. Ich konnte seelenruhig zur Balkontür gehen, sie öffnen und auf den Balkon hinaustreten. Genau das tat ich dann auch.
    Es bedurfte nur eines einzigen Blickes, um die Lage abzuschätzen und zurück in die rettende Dunkelheit zu huschen. Das Zimmer ging zum Innenhof des Schlosses hinaus. In diesem kleinen Hof gab es einen Springbrunnen und fünf kümmerliche Bäume, deren Zweige kaum bis zum ersten Stock hinaufreichten. Unter einem dieser Bäume saß ein Mann und rauchte eine Pfeife. Und nur dank der Glut im Pfeifenkopf hatte ich ihn sofort entdeckt.
    Bisher war mein Plan sehr einfach gewesen: mich am Seil in den Innenhof hinunterlassen, bis zur Mauer des Ostflügels rennen und mit dem Seil einen Balkon erklimmen. Damit wäre ich schon ein gutes Stück näher an dem Schlüssel. Jetzt machte mir dieser verdammte Wachtposten aber einen Strich durch die Rechnung, denn er sah geradewegs in meine Richtung. Trotz der Dunkelheit würde er mich bemerken, wenn ich am Seil baumelte. Der Weg zurück durch den Gang war mir jedoch zu gefährlich, weil ich diesem Betrunkenen jederzeit in die Arme laufen konnte.
    Es blieb nur eins: abwarten. Gut, ich hätte dem Raucher auch noch einen Bolzen ins Fleisch jagen können. Aber was, wenn ich ihn in diesem Dunkel nicht tödlich traf? Er würde so laut schreien wie ein Mastschwein unterm Fleischermesser und damit das ganze Haus wecken. Ich setzte mich auf den Boden und behielt durch die Vorhänge hindurch die Glut im Auge, die bei jedem Zug aufglomm. Bei Sagoth, nie hätte ich gedacht, dass es so lange dauert, eine Pfeife zu rauchen. Endlich erhob sich der Wachtposten, klopfte die Pfeife am Baumstamm aus, schulterte die Armbrust und stapfte zum Ausgang des Hofes. Ich seufzte erleichtert, doch ich sollte mich zu früh gefreut haben. Noch ehe der Mann die Tür erreicht hatte, machte er scharf kehrt, lief an der Mauer entlang, machte erneut kehrt … Der

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