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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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nachsehen.«
    Ich will nicht behaupten, dass mir der Gedanke nicht auch schon gekommen wäre, aber ich hatte ihm nur erlaubt, mir kurz durchs Gehirn zu schießen – wie einen Blitzer bei einem Football-Spiel, der sich zu schnell bewegte, als dass ich ihn wirklich sah.
    Was, wenn ich nun wirklich Geister sah?
    In meinem Hirn begannen neonfarbene
Bis-hierher-und-nicht-weiter
-Warnlichter zu blinken, aber irgendein tiefer liegender Teil war fasziniert,
wollte
weitermachen.
    Ich rieb mir die Schläfen.
    Geister sind nicht real. Geister sind etwas für Verrückte. Was ich sah, waren Halluzinationen, und je schneller ich das akzeptierte, desto schneller würde ich hier rauskommen.
    »Es wäre schon cool, wenn’s so wäre«, sagte ich vorsichtig. »Aber Dr. Gill hat gesagt, Visionen zu haben wäre ein klarer Hinweis auf eine psychische Krankheit.«
    »Ah, das Etikett. Herrgott, die mögen ihre Etiketten hier. Können einem Mädchen nicht mal einen Tag zum Eingewöhnen geben, bevor sie eins aufkleben. Meins ist Pyromanie.« Sie bemerkte meinen Gesichtsausdruck. »Yeah, ich weiß schon. Wir sollen das eigentlich für uns behalten. Unsere Privatsphäre schützen. Ich glaube, das ist Geschwätz. Sie wollen einfach nicht, dass wir unsre Erfahrungen austauschen.«
    Sie legte Socken auf dem Bett aus und begann, die Paare zusammenzusuchen. »Du bist anderer Meinung.«
    »Vielleicht bei so was wie Pyromanie. Es klingt beinah cool. Aber es gibt andere Sachen – Etiketten –, die man vielleicht nicht so ohne weiteres anderen Leute erzählen will.«
    »Zum Beispiel?«
    Ich konzentrierte mich eine Minute lang darauf, Sockenpaare zusammenzusuchen. Ich wollte es ihr erzählen. Wie die Sache mit den Geistern. Sosehr ich mich auch davor fürchtete, mich anzuhören wie ein Fall für die Klapsmühle, ich wollte es jemandem erzählen, um zu hören, was sie sagen würde, um eine zweite Meinung einzuholen.
    »Sie sagen, ich habe Schizophrenie.«
    Ich studierte ihre Reaktionen. Nichts als ein kleines verwirrtes Stirnrunzeln.
    »Ist das nicht das mit der multiplen Persönlichkeit?«, fragte sie.
    »Nein. Schizophrenie ist, na ja, du weißt schon, schizo.«
    An ihrem Gesichtsausdruck änderte sich nichts. »Das ist also, wenn man Sachen sieht und solches Zeug?«
    Ich hob ein weißes Segel von einem T-Shirt hoch, das unter den Achseln ein bisschen schmuddelig wirkte. Unnötig, hier nach dem Etikett zu suchen. Ich legte es zusammen und fügte es Dereks Wäschestoß hinzu. »Es gibt noch einen Haufen andere Symptome, aber die habe ich nicht.«
    »Kein einziges?«
    »Ich glaube nicht.«
    Sie lehnte sich auf dem Bett nach hinten und streckte die Beine aus. »Siehst du, das ist mein Problem mit der ganzen Sache. Du hast eine einzige abgedrehte Erfahrung gemacht, und die kleben ein Etikett drauf, selbst wenn du nur ein einziges Symptom hast. Es ist, als ob man mal hustete, und die wissen sofort, es ist Lungenentzündung. Ich wette, bei Pyromanie gibt es auch noch eine Menge andere Symptome, die ich nicht habe.«
    Ihr Blick fiel auf eine rote und eine blaue Socke, und sie starrte sie an, als könnte sie sie mit Willenskraft dazu bewegen, violett zu werden und zusammenzupassen. »Und was gehört noch zur Schizophrenie?«
    »Das hat Dr. Gill nicht so genau gesagt.«
    »Hm.«
    »Ich nehme an, ich könnte es im Internet nachsehen. Ich sollte.«
    »
Wir
sollten. Schizophrenie und Pyromanie. Ich wüsste gern mehr. Einfach um mir sicher sein zu können, weißt du? Vor allem, wenn ich mir ansehe, in welche Richtung das mit Liz gerade geht …« Sie rieb sich mit dem Handrücken über den Mund, den Blick immer noch auf das ungleiche Sockenpaar gerichtet. »Ich glaube, du hast das Zimmer demnächst für dich. Vielleicht schon sehr bald.«
    »Verlegen sie sie?«
    »Wahrscheinlich. Sie reden schon seit einer Weile drüber. Der Laden hier ist für Teenager mit Problemen, aber es sind keine wirklich üblen Probleme, und irgendwann werden sie besser. Zwei Wochen, nachdem ich hergekommen bin, haben sie einen Typ namens Brady verlegt. Es ist bei ihm nicht schlimmer geworden oder so. Nicht wie bei Liz. Er hat einfach nicht gewollt, dass es
besser
wird. Er war der Ansicht, es gäbe bei ihm nichts in Ordnung zu bringen. Und weg war er. Ich hab aus der Geschichte was gelernt. Mir passen ihre Etiketten und ihre Pillen vielleicht nicht, aber ich halte den Mund, spiele mit und komme auf die
richtige
Art hier raus.«
    »Und gehst nach Hause.«
    Ein Moment des Schweigens,

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