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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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davon gewusst, dass ich … Sachen sehe. Geister. Ich habe es
niemals
erzählt. Niemandem.«
    »Wer war es?«
    »Ich-ich möchte es lieber nicht sagen. Es ist nicht weiter wichtig.«
    Sie nahm die Hände auseinander. »Doch, das ist wichtig, Chloe. Aber ich weiß es zu schätzen, dass du niemanden in Schwierigkeiten bringen willst. Ich habe eine ziemlich klare Vorstellung, wer es ist. Sie muss gelauscht haben, als wir über deine Halluzinationen gesprochen haben, und hat sich ihre eigenen Schlussfolgerungen zurechtgelegt. Über …«, eine abfällige Handbewegung, »… Geister. Es tut mir leid, dass das passiert ist, aber ich verspreche dir, wir werden es diskret behandeln.«
    »Aber …«
    »Sie wird nicht erfahren, dass du uns irgendwas erzählt hast, aber wir müssen uns darum kümmern.« Sie lehnte sich wieder nach hinten. »Es tut mir leid, dass das gleich an deinem ersten Tag hier passiert ist. Junge Leute sind naturgemäß neugierig, und so sehr wir uns auch bemühen, die Dinge privat zu halten, es gelingt uns nicht immer, wenn die Wohnverhältnisse so beengt sind.«
    »Es ist schon okay. Niemand hat deswegen einen Aufstand gemacht.«
    Sie nickte. »Wir haben hier eine sehr gute Gruppe von jungen Leuten. Im Allgemeinen sind sie sehr aufgeschlossen und respektvoll. Das ist wichtig in Lyle House. Du hast einen schwierigen Weg vor dir, und wir sind da, um dir die Reise so zu gestalten, dass sie so glatt wie möglich verläuft.«
     
    Schizo.
    Es kam nicht darauf an, wie oft Dr. Gill es mit einer normalen Krankheit oder einer Körperbehinderung verglich. Es war nicht das Gleiche. Es war einfach nicht das Gleiche. Ich hatte Schizophrenie.
    Wenn ich zwei Typen die Straße entlanggehen sah, von denen einer im Rollstuhl saß und der andere Selbstgespräche führte … welchem von ihnen würde ich sofort die Tür aufhalten? Und bei welchem würde ich auf die andere Straßenseite gehen, um ihm nicht zu begegnen?
    Dr. Gill sagte, es käme einfach nur darauf an, dass ich meine Medikamente nahm und damit zu leben lernte. Aber wenn es so einfach war, warum gab es dann Leute, die durch die Straßen gingen und mit sich selbst redeten? Obdachlose mit irren Augen, die die Luft anbrüllten?
    Leute sahen, die nicht da waren. Stimmen hörten, die nicht da waren.
    Schizos.
    Genau wie ich.
     
    Nach meiner Therapiesitzung verschwand ich im Medienzimmer, um nachzudenken. Ich saß zusammengerollt auf dem Zweiersofa, ein Kissen an die Brust gedrückt, als Simon hereingeschneit kam.
    Er sah mich nicht, als er quer durchs Zimmer ging und eine Baseballkappe vom Computertisch nahm. Er summte vor sich hin, als er die Kappe in die Luft warf und wieder auffing.
    Er sah glücklich aus.
    Wir konnte er hier glücklich sein? Unbesorgt vielleicht. Aber glücklich?
    Er drehte die Kappe in der Hand um und setzte sie auf. Dann hielt er inne, den Blick auf das Fenster gerichtet. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht sehen, aber er wurde vollkommen still. Dann ein scharfes Kopfschütteln. Er drehte sich um und sah mich. Ein kurzes Zucken der Überraschung, dann ein breites Grinsen.
    »Hey.«
    »Hi.«
    Er kam näher, das Lächeln verblasste. »Alles okay mit dir?«
    Das
Mir geht’s gut
lag mir bereits auf den Lippen, aber ich brachte es nicht heraus. Mir ging es nicht gut. Und ich wollte sagen, dass es so war. Ich wollte, dass es in Ordnung war, es zu sagen. Aber die Besorgnis in seiner Stimme war nicht ehrlicher als sein Grinsen, keins von beiden erreichte seine Augen. Sie blieben distanziert, so als machte er sich die Mühe, nett zu sein, weil er ein netter Kerl war und weil es richtig war, es zu tun.
    »Mir geht’s gut«, sagte ich.
    Er drehte den Schirm seiner Kappe in den Fingern und beobachtete mich. Dann zuckte er die Achseln. »Okay. Aber ein Wort der Warnung? Lass dich nicht dabei erwischen, dass du dich hier drin verkriechst. Das ist, wie wenn man tagsüber in seinem Zimmer verschwindet. Du fängst dir nur eine Predigt über das Trübsalblasen ein.«
    »Ich blase …«
    Er hob beide Hände. »Ihr Ausdruck, nicht meiner. Ich wollte dich bloß warnen. Du kommst damit durch, wenn du den Fernseher einschaltest und so tust, als ob du zusiehst, aber die sind glücklicher, wenn du irgendwas tust oder mit uns rumhängst. Wir sind gar nicht so übel. Nicht zu verrückt.«
    Er sagte es mit einem strahlenden Grinsen, bei dem mein Magen einen Purzelbaum machte. Ich setzte mich auf und suchte verzweifelt nach etwas, das ich sagen konnte, etwas,

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