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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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wenn ich etwas sah, würde ich sie schlucken.
    Ich bot meine Hilfe beim Aufräumen des Zimmers an, aber Mrs. Talbot nahm mich mit nach unten, besorgte mir ein Glas Milch und machte mir ein Bett auf dem Sofa. Ich schlief ein, wachte wieder auf, als sie hereinkam, um mich zurück in den ersten Stock zu bringen, und schlief schon wieder, bevor ich auch nur die Decke über mich ziehen konnte.
     
    Durch den fruchtigen Geruch von Liz’ Haargel wachte ich auf, trieb eine Weile im Halbschlaf und träumte, ich wäre in einem Kübel mit Zuckerwatte gefangen. Der süße Geruch brachte meinen Magen zum Rebellieren, und ich versuchte, mich durch die klebrigen Fasern hindurchzukämpfen. Irgendwann war ich frei, meine Augen öffneten sich, und ich schnappte gierig nach Luft.
    »Chloe?«
    Ich zwinkerte. Es klang wie Liz’ Stimme, aber scheu und zittrig.
    »Bist du wach, Chloe?«
    Ich wälzte mich auf die Seite. Liz saß auf der Kante ihres Bettes. Sie trug ihr Minnie-Maus-Nachthemd und graue Socken mit violetten und orangefarbenen Giraffen darauf.
    Sie bewegte die Zehen. »Schräg, was? Mein kleiner Bruder hat sie mir letztes Weihnachten geschenkt.«
    Ich stemmte mich hoch und blinzelte nachdrücklicher. Mein Hirn war immer noch in das zuckerwattige Gefühl von der Schlaftablette gewickelt, dick und klebrig, und ich hatte Schwierigkeiten, klar zu sehen. Sonnenlicht strömte durch die Jalousien herein und ließ die Giraffen auf Liz’ Socken tanzen, als sie mit den Zehen wackelte.
    »Ich hatte letzte Nacht einen total abgedrehten Traum«, sagte sie, den Blick auf ihre Füße gerichtet.
    Nicht nur du
, dachte ich.
    »Ich hab geträumt, sie hätten mich weggebracht und ich wäre in diesem Krankenhaus aufgewacht. Nur dass ich nicht in einem Bett gelegen habe, sondern auf einem Tisch. Einem kalten Metalltisch. Und diese Frau war da, wie eine Schwester, mit einer von diesen Masken vorm Gesicht. Sie hat sich über mich gebeugt, und als ich die Augen aufgemacht habe, ist sie zusammengefahren.«
    Ihr Blick glitt zu mir herüber, und sie brachte ein winziges Lächeln zustande. »Ein bisschen so, wie du’s manchmal machst. Als ob ich sie erschreckt hätte. Sie hat diesen Typ gerufen, und ich habe gefragt, wo ich bin. Aber sie haben einfach nur miteinander geredet. Sie waren ziemlich sauer, weil ich nicht hätte aufwachen dürfen, und dann wussten sie nicht, was sie machen sollten. Ich hab versucht, mich aufzusetzen, aber ich war irgendwie festgebunden.«
    Liz presste den Stoff ihres Nachthemds in den Händen zu einem Knoten zusammen und grub die Finger hinein. »Und dann hab ich plötzlich nicht mehr atmen können. Ich hab mich nicht bewegen und nicht brüllen können, und dann …«, sie schauderte und legte sich die Arme um den Körper, »… dann bin ich hier aufgewacht.«
    Ich setzte mich auf. »Ich werde dir helfen, Liz. Okay?«
    Sie rutschte auf ihrem Bett nach hinten und zog die Knie hoch. Sie öffnete den Mund, zitterte aber zu sehr, um noch etwas sagen zu können. Ich stand auf und ging über den Dielenboden, der sich unter meinen Füßen eisig anfühlte, zu ihr hinüber, um mich neben sie zu setzen.
    »Willst du, dass ich versuche, mit deinem Poltergeist zu reden?«
    Sie nickte, wobei ihr Kinn gegen ihre Brust hämmerte. »Sag ihm, er soll aufhören. Sag ihm, ich brauche seine Hilfe nicht. Ich kann schon auf mich aufpassen.«
    Ich streckte die Hand aus, um sie ihr auf den Arm zu legen. Ich sah, wie meine Fingerspitzen auftrafen, aber sie bewegten sich auch danach noch vorwärts. Immer weiter. Durch ihren Arm hindurch.
    Als ich entsetzt auf sie hinunterstarrte, sah auch Liz nach unten. Sie sah, wie meine Hand durch sie hindurchglitt. Und sie begann zu schreien.

11
    I ch plumpste von ihrem Bett herunter und landete mit einem so harten Schlag auf dem Fußboden, dass der Schmerz bis in mein Rückgrat hinaufjagte. Als ich mich aufrappelte, war Liz’ Bett leer und die Überdecke nur dort zerdrückt, wo ich selbst gesessen hatte.
    Ich warf einen langen prüfenden Blick durchs Zimmer. Liz war fort.
    Fort? Sie war nicht hier gewesen. Sie hatten sie gestern Abend weggebracht. Den Teil hatte ich nicht geträumt. Die Zimmerdecke war immer noch voller Haargelspritzer.
    Ich drückte mir die Handballen auf die Augen und ging rückwärts, bis ich gegen mein eigenes Bett stieß. Ich setzte mich hin und holte tief Luft. Nach ein paar Sekunden öffnete ich die Augen. Nach wie vor kam mein Gehirn mir vor, als wäre es in klebrige Strähnen von

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