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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Das war es eben, was von Liz zu erwarten war, genau wie das mit dem Bleistift. Sie wurde wütend, und dann warf sie mit Dingen um sich.
    Aber dieses ganze Zeug hatte sie nicht geworfen. Ich hatte Bilder von der Wand fallen sehen, und Liz war nicht einmal in der Nähe gewesen.
    Hatte ich das?
    Wenn ich wirklich schizophren war, wie sollte ich dann entscheiden können, was ich wirklich gesehen und gehört hatte? Und wenn Paranoia nur ein weiteres Symptom der Schizophrenie war, wie sollte ich mich dann auch nur auf mein instinktives Gefühl verlassen können, dass Liz irgendetwas Übles zugestoßen war?
     
    Rae verbrachte die erste Hälfte des Vormittags in einer Therapiesitzung mit Dr. Gill. Nachdem sie zurückgekommen war, wartete ich den Rest der Unterrichtsstunde lang begierig auf die Pause, um endlich mit ihr reden zu können. Nicht über Liz und meine Befürchtungen. Einfach nur mit ihr reden. Über den Unterricht, den Film von gestern Abend, das Wetter … alles, das Liz aus meinen Gedanken verbannen konnte.
    Aber Rae hatte Probleme mit einem ihrer Arbeitsblätter, und Ms. Wang ließ sie auch während der Pause weiterarbeiten. Ich versprach, ihr etwas Essbares mitzubringen, schlurfte hinaus und machte mich auf den Weg in die Küche, dazu verurteilt, noch ein, zwei weitere Stunden in meinem eigenen Kopf eingesperrt zu bleiben und über Liz nachzudenken.
    »Hey.« Simon kam im Flur hinter mir hergetrabt. »Alles okay? Du bist ziemlich still heute Morgen.«
    Ich brachte ein schwächliches Lächeln zustande. »Ich bin immer still.«
    »Yeah, aber nach gestern Abend hast du eine Entschuldigung. Wahrscheinlich nicht viel geschlafen, was?«
    Ich zuckte die Achseln.
    Simon griff nach der Küchentür. Eine Hand erschien über meinem Kopf und packte sie für ihn. Dieses Mal fuhr ich nicht zusammen, sondern sah mich nur um und murmelte ein »Guten Morgen« in Dereks Richtung. Er antwortete nicht.
    Simon verschwand in der Speisekammer. Derek blieb in der Küche und beobachtete mich. Er studierte mich auch jetzt wieder mit seinem gespenstisch intensiven Blick.
    »Was?« Ich hatte nicht vorgehabt, ihn anzufahren, aber das Wort kam scharf heraus.
    Derek griff nach mir. Ich stolperte rückwärts. Dann erst merkte ich, dass er nach der Obstschüssel hatte greifen wollen, die ich blockierte. Meine Wangen brannten, als ich hastig und mit einer gemurmelten Entschuldigung aus dem Weg ging. Er ignorierte auch das.
    »Was ist gestern Abend passiert?«, fragte er, während er mit einer großen Hand zwei Äpfel auf einmal packte.
    »P-p-pass …?«
    »Langsamer.«
    Mein Gesicht wurde noch heißer, diesmal aber vor Ärger. Ich mochte es nicht, wenn Erwachsene mir sagten, ich sollte langsamer reden. Von einem anderen Teenager war es noch schlimmer. Unhöflich und mit einem Beiklang von Herablassung.
    Simon kam aus der Speisekammer, eine Schachtel Müsliriegel in der Hand.
    »Du solltest einen Apfel nehmen«, sagte Derek, »das da ist nicht …«
    »Schon in Ordnung, Bro.«
    Er warf Derek einen Riegel zu und hielt mir dann die Schachtel hin. Ich nahm zwei, bedankte mich und wollte gehen.
    »Könnte helfen, wenn du drüber redest«, rief Simon hinter mir her.
    Ich drehte mich wieder um. Simon wickelte seinen Müsliriegel aus, den Blick abgewandt, und versuchte unbeteiligt auszusehen. Derek machte sich gar nicht erst die Mühe. Er hatte sich an die Anrichte gelehnt, kaute auf seinem Apfel herum und starrte mich erwartungsvoll an.
    »Und?«, fragte er, als ich nichts sagte. Seine Handbewegung teilte mir mit, ich sollte mich beeilen und endlich die ganzen spektakulären Details liefern.
    Ich habe nie viel für Klatsch übrig gehabt. Vielleicht war es auch gar nicht das, was sie wollten. Vielleicht waren sie einfach nur neugierig, vielleicht sogar besorgt. Aber es kam mir vor wie Klatsch, und das hatte Liz nicht verdient.
    »Rae wartet auf mich«, sagte ich.
    Simon trat vor, eine Hand erhoben, als wollte er mich aufhalten. Dann sah er zu Derek hin. Ich konnte die Blicke, die sie austauschten, nicht sehen, aber sie veranlassten Simon dazu, zurückzutreten, mir zuzunicken und sich wieder mit der Verpackung seines Riegels zu befassen.
    Die Tür war hinter mir noch nicht zugefallen, als Simon flüsterte: »Da ist was passiert.«
    »Yeah.«
    Nachdem die Tür zugefallen war, blieb ich vor ihr stehen. Derek sagte noch etwas, aber die leise gegrollten Worte blieben unverständlich.
    »Ich weiß nicht«, sagte Simon. »Wir sollten

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