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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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nicht …«
    »Chloe?«
    Ich fuhr herum, als Mrs. Talbot aus dem Wohnzimmer in den Gang trat.
    »Ist Peter greifbar?«, fragte sie. Ihr rundes Gesicht strahlte.
    »Äh, im Unterrichtsraum, glaube ich.«
    »Könntest du ihm sagen, dass ich ihn im Wohnzimmer sprechen will? Ich habe eine Überraschung für ihn.«
    Ich warf einen Blick auf die Küchentür, aber die beiden Jungen waren verstummt. Ich nickte Mrs. Talbot zu und rannte davon.
     
    Peters Eltern waren gekommen, um ihn nach Hause zu holen.
    Er hatte gewusst, dass es bald passieren würde, aber sie hatten ihn überraschen wollen, und so gab es eine kleine Party, sogar mit Kuchen. Fettreduziertem, organischem, zuckergussfreiem Karottenkuchen. Dann gingen seine Eltern mit ihm nach oben, um ihm beim Packen zu helfen. Simon, Derek und Rae hingegen kehrten in den Unterrichtsraum zurück, und ich hatte meine Therapiesitzung mit Dr. Gill.
    Zwanzig Minuten später konnte ich durchs Fenster verfolgen, wie der Minivan von Peters Eltern rückwärts die Auffahrt hinunterfuhr und sich die Straße entlang entfernte.
    Noch eine Woche, und ich würde das Gleiche tun. Ich musste ganz einfach aufhören, über Liz und Geister nachzudenken, und mich darauf konzentrieren, hier rauszukommen.

12
    N ach dem Mittagessen war Mathe dran. Das war ein Fach, in dem die Tutorin genau wissen musste, wie weit ich war. Und da meine Mathelehrerin noch keine Aufgaben geschickt hatte, durfte ich die Stunde schwänzen. Mathe war außerdem das Fach, in dem Derek am Tag zuvor allein gearbeitet hatte. Das tat er auch jetzt wieder. Er nahm seine Arbeit mit ins Esszimmer, während Ms. Wang ihre Unterrichtsstunde abhielt. Ich vermutete, dass er aufholen musste und dazu Ruhe brauchte. Er ging seiner Wege, und ich ging meiner – ins Medienzimmer, wo ich endlich die E-Mail an Kari schreiben wollte.
    Ich brauchte eine ganze Weile, um meine Nachricht zu formulieren. Mein dritter Versuch schließlich klang zwar vage, aber nicht zu auffällig danach, als ob ich irgendein Thema vermeiden wollte. Ich war gerade im Begriff, auf Senden zu klicken, als ich innehielt.
    Ich verwendete hier gerade ein Gruppenkonto. Welche Adresse würde in der Absenderzeile auftauchen? Lyle House, Wohnheim für psychisch kranke Teenager? Ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht gerade
das
sein würde, aber selbst wenn dort nur »Lyle House« stand, würde Kari aufmerksam werden und vielleicht sogar neugierig genug, um die Adresse zu überprüfen.
    Ich öffnete den Internet-Browser und suchte nach »Lyle House«. Über eine Million Treffer. Ich fügte »Buffalo« hinzu, was die Anzahl um die Hälfte reduzierte, aber ein näherer Blick auf die erste Seite zeigte mir, dass es lauter vollkommen beliebige Treffer waren. Etwas über ein Haus an der Lyle Avenue in Buffalo, eine Liste von Lyle-Lovett-Songs, in denen auch die Worte »house« und »buffalo« vorkamen, ein Abgeordneter des Repräsentantenhauses namens Lyle, der etwas über Buffalo Lake gesagt hatte.
    Ich schob die Maus wieder in Richtung Sendetaste und zögerte erneut.
    Dass Lyle House allem Anschein nach keine fröhlich gestaltete Website mit einem Margeritenrahmen drumrum hatte, bedeutete ja nicht, dass Kari es nicht im Telefonbuch finden konnte.
    Ich speicherte den Inhalt meiner E-Mail als Textdokument unter einem nichtssagenden Dateinamen ab und löschte die Nachricht. Bei einem Anruf würde ich wahrscheinlich wenigstens die Anruferkennung blockieren können. In den Gemeinschaftsräumen gab es kein Telefon, ich würde also fragen müssen, ob ich das Gerät der Schwestern benutzen durfte. Aber das würde ich später erledigen, wenn Kari aus der Schule zurück war.
    Ich schloss Outlook und wollte den Browser gerade ausschalten, als mein Blick auf eins der Suchergebnisse fiel: irgendwas über einen Mann aus Buffalo namens Lyle, der bei einem Wohnungsbrand umgekommen war.
    Mir fiel ein, dass Rae gestern gesagt hatte, ich solle doch mal meinen verbrannten Hausmeister recherchieren. Hier hatte ich nun die Gelegenheit, den Streit zwischen der einen Stimme zu schlichten, die mir mitteilte
Du halluzinierst – nimm deine Pillen und halt den Mund
, und der anderen, die sich da nicht so sicher war.
    Ich klickte mich ins Suchfeld, löschte die Wörter dort und saß danach einfach da, die Finger über der Tastatur schwebend, jeder Muskel angespannt, als wartete ich auf einen elektrischen Schlag.
    Wovor habe ich eigentlich Angst?
    Rauszufinden, dass ich wirklich schizophren

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