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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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wofür also die Extrawurst?«
    »Das war keine«, sagte Rae. »Deine Mom nimmt dich dauernd mit zu irgendwas. Chloe durfte wahrscheinlich, weil sie sich ordentlich aufführt. Bei dir liegt es einfach daran, dass deine Mom im Vorstand sitzt.«
    Man hätte nicht meinen sollen, dass es so erstrebenswert war, sich »ordentlich aufzuführen«, aber Toris Nasenflügel blähten sich, und ihr Gesicht wurde zu einer Grimasse, als hätte Rae die schlimmste Beleidigung des Jahres ausgesprochen.
    »Ach wirklich?«, fragte sie. »Na ja, so oder so, dir wird das jedenfalls nicht passieren, stimmt’s? Wie oft haben deine Eltern noch mal angerufen oder vorbeigeschaut, seitdem du hier bist? Moment, lass mich überlegen … ja richtig, nullmal.« Sie formte mit Daumen und Zeigefinger ein O. »Und mit Aufführen hat das nichts zu tun. Es ist ihnen nämlich einfach egal.«
    Rae stieß sie gegen die Wand, woraufhin Tori ein ohrenbetäubendes Kreischen ausstieß.
    »Sie hat mich verbrannt!«, schrie sie, eine Hand auf die Schulter gedrückt.
    »Ich hab dich
gestoßen

    Ms. Wang kam aus dem Klassenzimmer gestürzt, gefolgt von Simon und Derek, die noch geblieben waren, um ein Hausaufgabenprojekt zu besprechen.
    »Sie hat mich verbrannt. Sie hat Streichhölzer oder irgend so was. Da, seht euch das an …« Tori zog den Kragen ihres T-Shirts nach unten.
    »Lass die Kleider an, Tori.« Simon legte beide Hände vor die Augen. »Bitte.«
    Derek gab ein leises Grollen von sich, das sich verdächtig nach einem Lachen anhörte.
    Rae hob die Hände. »Kein Streichholz. Kein Feuerzeug. Nichts im Ärmel …«
    »Ich sehe einen sehr schwachen rötlichen Abdruck von dem Stoß, Tori«, sagte Ms. Wang.
    »Sie hat mich verbrannt! Ich kann’s spüren! Sie versteckt wieder irgendwo Streichhölzer. Suchen Sie danach. Tun Sie irgendwas.«
    »Warum tust du nicht was, Tori?«, fragte Simon, während er sich an uns vorbeischob. »Legst dir ein Leben zu oder irgend so was.«
    Sie fuhr herum. Nicht zu ihm, sondern zu Rae, und stürzte sich auf sie. Aber Ms. Wang packte Tori, und die Schwestern stürzten heran.
    Ja, doch, Tori war wieder da.

17
    I ch hatte die ganze erste Unterrichtsstunde in der Erwartung verbracht, dass Miss Van Dop oder Dr. Gill hereinkommen und Derek zu einer »Unterredung« abholen würde. Ich hätte mehr Vertrauen in meine Tante haben sollen. Denn als wir von unserem Frühstück zurückgekommen waren, hatte sie Mrs. Talbot in aller Stille zur Seite genommen und lediglich gesagt, dass sie gern über meine »Fortschritte« reden würde. Kein Mensch dachte sich irgendetwas dabei. Und niemand war ins Unterrichtszimmer geplatzt und hatte Derek hinausgezerrt.
    Toris Ausraster war der einzige Zwischenfall an einem ansonsten ruhigen Vormittag. Derek saß im Unterricht und ignorierte mich. Vor dem Mittagessen hatte er seine Sitzung mit Dr. Gill. Als er wieder herauskam, stand ich im Flur herum und wartete darauf, dass das Bad frei wurde. Simon war drinnen, wie üblich vor dem Essen. Ich hatte noch nie einen Typen getroffen, der sich so gewissenhaft die Hände wusch, bevor er sich an den Tisch setzte.
    Ich erwog gerade, ob ich nach oben rennen und das Mädchenbad benutzen sollte, als sich Dr. Gills Tür öffnete und Dereks dunkle Gestalt im Rahmen erschien. Ich wappnete mich. Er kam heraus und sah mich an. Mein Herz hämmerte so laut, dass ich mir sicher war, er konnte es hören – genauso sicher, wie ich mir war, dass er gerade angeraunzt worden war. Unsere Blicke trafen sich. Er nickte, grunzte etwas, das sich wie »hi« anhörte, und wollte eben an mir vorbeigehen, als sich die Tür zum Klo öffnete.
    Simon kam heraus, den Kopf gesenkt. Er sah mich und schob etwas in die hintere Hosentasche. »Oha. Hab wohl wieder mal alles blockiert, wenn sich hier schon eine Schlange bildet.«
    »Bloß Chloe.« Derek machte mir die Tür auf. Er wirkte absolut nicht ärgerlich. Netter als sonst sogar. Meine Tante musste ihre Sache wirklich gut gemacht haben. Wahrscheinlich hätte ich das wissen sollen.
    Als ich hineinging, sagte Simon zu Derek: »Hey, zum Mittagessen geht’s da lang.«
    »Fangt schon mal an, ich muss noch was aus unserem Zimmer holen.«
    Eine Pause. Dann: »Moment«, und dann hörte ich, wie Simons Schritte Derek die Treppe hinauf folgten.
     
    Nach dem Mittagessen fiel es mir zu, den Müll hinauszubringen. Lebenserfahrung, sagte ich mir immer wieder, während ich die Tonne in Richtung Schuppen schob und nach den Fliegen schlug, die

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