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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Verfügung stellen müssen«, sagte Dr. Gill.
    »Ach, das ist doch lächerlich«, sagte Tante Lauren. »Woher wollen wir eigentlich wissen, dass sie nicht schlafwandelt und einfach geträumt hat? Sie kann doch ihre Träume nicht kontrollieren.«
    »Träume sind Fenster zur Seele«, stellte Dr. Gill fest.
    »Das sind die Augen«, schnappte Tante Lauren.
    »Jeder Mensch, der etwas von Psychologie versteht, würde Ihnen sagen, dass es bei Träumen nicht anders ist.« Dr. Gills Stimme war ruhig, aber ihr Gesichtsausdruck teilte uns allen mit, dass sie es satt hatte, ihre Diagnosen von Eltern und Angehörigen anzweifeln zu lassen, die ihre Kinder zu verteidigen versuchten. »Selbst wenn Chloe nur träumt, Geister zu sehen, legt das nahe, dass sie ihre Diagnose nicht wirklich akzeptiert hat. Wir werden zur Überprüfung Urintests machen müssen.«
    »D-d-das verstehe ich nicht«, sagte ich. »Warum brauchen wir Urintests?«
    »Um sicherzustellen, dass du die deinem Gewicht, deiner körperlichen Aktivität, deiner Nahrungsaufnahme und anderen Faktoren entsprechende Dosis bekommst. Es ist eine sehr feine Abstimmung, die da vorgenommen werden muss.«
    »Sie glauben doch nicht …«, begann Tante Lauren.
    Dr. Davidoff räusperte sich. Tante Lauren drückte die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und begann, Fusseln von ihrem wollenen Rock zu zupfen. Es war ungewöhnlich, dass sie in einer Auseinandersetzung nachgab, aber diese Ärzte hatten meine Zukunft in der Hand.
    Ich wusste trotzdem, was sie hatte sagen wollen. Die Urintests waren nicht dazu da, meine Dosis anzupassen. Sie dienten dazu, sicherzustellen, dass ich meine Pillen überhaupt nahm.
     
    Weil ich die vormittäglichen Unterrichtsstunden sowieso schon versäumt hatte, fiel mir der Tischdienst vor dem Mittagessen zu. Ich deckte den Tisch und war dabei vollkommen in Gedanken versunken, als eine Stimme sagte: »Ich stehe hinter dir.«
    Ich fuhr herum und sah Derek.
    »Ich kann’s einfach nicht richtig machen«, sagte er. »Du bist so schreckhaft wie eine Katze.«
    »Wenn du dich anschleichst und es mir im letzten Moment sagst, soll das weniger erschreckend sein, als wenn du mir auf die Schulter tippst?«
    »Ich hab mich nicht ange…«
    Er unterbrach sich, schüttelte den Kopf und nahm zwei Brötchen aus dem Brotkorb. Dann arrangierte er die übrigen so, dass der Diebstahl nicht auffiel. »Ich wollte bloß sagen, wenn ihr euch unterhalten wollt, du und Simon, dann braucht ihr das nicht hinter meinem Rücken zu machen. Außer ihr wollt es so.«
    »Wir haben bloß …«
    »Ich weiß, was ihr gemacht habt. Simon hat’s mir schon erzählt. Du willst Antworten haben. Ich hab schon die ganze Zeit versucht, sie dir zu geben. Du hättest bloß fragen müssen.«
    »Aber du hast gesagt …«
    »Heute Abend. Acht Uhr. Unser Zimmer. Sag Mrs. Talbot, du musst wegen Mathenachhilfe zu mir.«
    »Eure Seite ist für uns aber tabu. Sie wird mich nie da rauf lassen, allein, zu einem Jungen ins Zimmer.«
    »Sag einfach, es ist wegen Mathe. Dagegen wird sie nichts sagen.«
    Weil er Probleme mit Mathe hatte wahrscheinlich.
    »Und das wird … okay sein? Du und ich, wir dürfen eigentlich nicht …«
    »Sag ihr, Simon ist auch da. Und rede mit der Talbot, nicht mit der Van Dop.«

22
    R ae und ich sprachen den ganzen Tag kaum miteinander. Sie war nicht fies, so war Rae nicht. Sie saß im Unterricht neben mir und stellte Fragen, aber ohne Geschnatter, Gekicher und Rumgealber. Heute war sie eine Mitschülerin, keine Freundin.
    Vor dem Abendessen, in der Zeit, in der wir normalerweise gemeinsam Hausaufgaben machten oder einfach herumhingen, nahm sie ihre Bücher, verzog sich ins Esszimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Nach dem Essen folgte ich ihr mit den schmutzigen Tellern in die Küche.
    »Ich bin mit der Wäsche dran«, sagte ich. »Hast du eine Minute Zeit und kannst mir zeigen, wie das mit der Maschine funktioniert?« Mit gesenkter Stimme fügte ich hinzu: »Und ich würde gern mit dir reden.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Klar.«
     
    »Es tut mir leid, dass ich’s dir nicht erzählt habe«, sagte ich, während sie die Schalter der Waschmaschine vorführte. »Ich … ich hab einfach ein Problem damit.«
    »Warum? Du kannst mit den Toten reden. Wie cool ist das denn?«
    Es war absolut nicht cool. Es war beängstigend. Aber ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich beschwerte. Oder vielleicht wollte ich auch nicht wie ein Waschlappen klingen.
    Ich warf die

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