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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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aber ich war mir nicht sicher, ob dies wirklich besser war als
schizophren
. Schizophrenie war wenigstens eine bekannte und anerkannte Krankheit. Ich konnte mit anderen Leuten darüber reden, mir helfen lassen, mit der Sache klarzukommen, meine Medikamente nehmen und beobachten, wie die Symptome verschwanden.
    Genau diese Medikamente mochten auch die Symptome der Nekromantie verbergen, aber wie Simon sagte: Es war wie Haare tönen – darunter war ich immer noch dieselbe, und meine wahre Natur wartete nur darauf, wieder zum Vorschein zu kommen, sobald die Wirkung der Medikamente nachließ.
    Nekromantie.
    Woher hatte ich das eigentlich? Von meiner Mutter? Wenn dem so war … warum wusste Tante Lauren nichts davon? Oder doch von meinem Vater? Vielleicht hatte er es nicht über sich gebracht, mich rechtzeitig zu warnen? Und vielleicht war das auch der Grund dafür, dass er mir im Krankenhaus so schuldbewusst vorgekommen war, so bemüht, sicherzustellen, dass ich zufrieden und gut untergebracht war? Oder vielleicht hatte auch weder einer meiner Eltern noch meine Tante davon gewusst? Es konnte auch ein rezessives Gen sein, etwas, das Generationen übersprang.
    Simon hatte Glück gehabt. Sein Dad musste ihm von der Magie erzählt und ihm beigebracht haben, wie man sie einsetzte. Mein Neid verflog wieder. Glück gehabt? Man hatte ihn in eine betreute Wohngruppe gesteckt, und seine Magie schien ihm hier drin nicht allzu viel zu nutzen.
    Magie. Das Wort kam mir so selbstverständlich in den Sinn, als hätte ich es bereits akzeptiert. Hatte ich das?
Sollte
ich das?
    Ich hatte Tage damit verbracht, zu bestreiten, dass ich Geister sah, und jetzt hatte ich auf einmal keinerlei Probleme damit, an Magie zu glauben? Ich hätte weitere Demonstrationen von Simon verlangen sollen. Mögliche andere Erklärungen finden sollen. Aber bei mir selbst hatte ich ja genau das getan, und jetzt, nachdem mir klar war, dass ich tatsächlich Tote sah, war es beinahe tröstlich, zu akzeptieren, dass ich nicht der einzige Mensch mit merkwürdigen Fähigkeiten war.
    Und was war mit Derek? Simon sagte, Derek sei unnatürlich stark. War auch das eine Art von Magie? Ich hatte diese Kraft selbst erlebt. Ich hatte seine Akte gelesen und wusste, dass selbst die zuständigen Behörden keine Erklärung gefunden hatten.
    So grotesk sich das alles anhörte, die Erklärung, die am ehesten einen Sinn ergab, war genau die, die am weitesten hergeholt schien. Es gab da draußen Leute mit Kräften, die man nur aus Märchen und Filmen kannte. Und wir gehörten dazu.
    Ich hätte beinahe gelacht. Es war wirklich wie aus einem Comic. Jugendliche mit Superkräften. Wie Superhelden. Superhelden? Ja, ganz sicher. Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass Geister sehen und Basketballbälle in der Schwebe halten uns in absehbarer Zukunft dabei helfen würde, die Welt vor dem Bösen zu retten.
    Wenn sowohl Derek als auch Simon solche Fähigkeiten hatten, war das dann der Grund, weshalb sie als Pflegebrüder zusammen waren? Was hatte ihr Vater ihnen erzählt? Hatte sein Verschwinden etwas damit zu tun, dass sie magisch waren? War das der Grund, warum die beiden unter falschen Namen an der Schule eingeschrieben gewesen waren und so oft umzuziehen schienen? War es das, was Leute wie wir tun mussten? Sich verstecken?
    Die Fragen drängten sich in mein Hirn, und keine schien willens, ohne eine Antwort wieder abzuziehen … Antworten, die ich um zwei Uhr morgens ganz einfach nicht geben konnte. Sie sprangen herum wie Simons Basketball. Nach einer Weile hätte ich geschworen, dass ich sie sehen konnte, orangefarbene Bälle, die durch meinen Kopf sprangen, hin und her, hin und her, bis ich schließlich einschlief.
     
    Eine Stimme schnitt durch die dicke Decke des Schlafs, und ich fuhr hoch. Während ich das Zimmer absuchte, schnappte ich nach Luft und kämpfte mich ins Bewusstsein zurück.
    Alles war still. Ich warf einen Blick zu Rae hinüber. Sie schien fest zu schlafen.
    Ein Traum. Ich legte mich wieder hin.
    »Wach auf.«
    Das Flüstern trieb durch die halb offene Tür herein. Ich blieb liegen und widerstand der Versuchung, mir die Decke bis unters Kinn zu ziehen.
    Ich dachte, du wolltest dich nicht mehr verstecken? Das hattest du doch vor, stimmt’s? Die Stimmen nicht mehr zu ignorieren, sondern Antworten zu finden, die Sache in die Hand zu nehmen?
    Ein tiefer Atemzug. Dann stieg ich aus dem Bett und ging zur Tür.
    Der Flur war leer. Ich hörte nichts als das

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