SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
Kliniken wurden notwendig. Es stand der Verdacht im Raum, dass eine Parallelerkrankung das Mädchen zusätzlich schwächte. Für Rieke war das ein dramatischer Zustand, denn ihr blieb nichts anderes übrig, als ganztags arbeiten zu gehen, um die Familie zu versorgen. Insofern war es ein Segen, dass Frank zu Hause war und seine Klavierschüler dort unterrichtete. Rieke hätte sonst nicht gewusst, wie sie den Alltag würde bewältigen können.
Klarinette und zweite Geige
Auch Jens und Johann hingen an Riekes Lippen. Sie schmolzen beim Terzett „Hebe deine Augen auf“ dahin und hatten nur Augen für sie. Bei den Gesangsproben ohne Orchester war jeweils der eine oder andere eingesprungen und hatte die Klavierbegleitung der Partitur gespielt, damit sich Leander Winterstein ganz auf das Dirigieren konzentrieren konnte. Sowohl Jens als auch Johann lebten ganz in der Musik. Sie waren Berufsmusiker. Beide beherrschten auch andere Instrumente. Jeder hatte vor dem anderen großen Respekt.
Für Frank Habichthorst war dieser Umstand ärgerlich. Er wäre gerne gefragt worden, ob er während der Proben Klavier spielte, denn er hätte Geld dafür verlangt. Jens und Johann übernahmen diese Arbeit als Liebesdienst, quasi als Hommage an die Musik, und hatten Spaß am Gesang der Solisten.
Der Fuß
Es waren Bernhard Dickmann und Ulf Hofmann, die wegen des Fußes zum „Steinernen Tisch“ in den Harrl ausrücken mussten.
Die rot lackierten Nägel an den schmierigen Zehenknochen sahen wirklich gewöhnungsbedürftig aus. Seppi von der Spurensicherung fluchte gerade vor sich hin und ließ den Fuß in eine durchsichtige Plastiktüte gleiten, als Nadja schnaufend den Weg hochgelaufen kam. Sofort warf sie ihren rechtsmedizinischen Blick auf das Körperteil und nickte.
„Ja, ja, das könnte passen! Uns fehlt noch die Leiche einer Jugendlichen ohne Gebärmutter. Der Fuß hier gehört eher zu einem jungen Menschen. Das kann ich aber erst genauer sagen, wenn ich Haut und Muskeln von den Knochen gelöst und mir die Wachstumsfugen angesehen habe. Ich mache dann auch einen genetischen Abgleich mit den Zellen aus dem Organ. Dann wissen wir hundertprozentig, ob es sich um ein und denselben Menschen handelt.“
„Na, dann kannst du das Füßchen ja gleich mitnehmen!“, sagte Seppi. „Ich schaue mich hier noch ein bisschen in der nahen Umgebung um.“
„Nur ein Fuß macht noch keine Leiche. Sie könnte immerhin noch leben!“, warf Ulf Hofmann ein. „Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, jetzt gleich die Hundestaffel zu alarmieren.“
„Ich glaube, du spinnst, Ulf!“, entfuhr es Bernhard Dickmann. „Wie soll man denn mit abgetrenntem Fuß überleben? Wir rufen sofort Holger Pinell an!“
„Nachher kann ich es euch sagen, ob die Eigentümerin des Fußes noch lebt, aber ich würde auch schon mal anfangen, nach ihr zu suchen, wenn ihr mich fragt!“, mischte sich Nadja in das Gespräch ein.
Ulf brummte widerwillig.
„Wie dem auch sei“, sagte Nadja zu Seppi, „solltest du noch irgendwelche Teile eines Menschen finden, bring sie mir mit nach Stadthagen!“
„Meinst du“, rief Bernhard Nadja hinterher, „dass dieser Fuß zu der jungen Gebärmutter gehört?“
Sie drehte sich noch einmal um und schwenkte den Plastikbeutel.
„Ich bin kein Hellseher, aber ich würde mich wundern, wenn nicht. Ihr solltet die Rintelner wenigstens mal anrufen. Dann kommt es nachher nicht so plötzlich, wenn sie doch noch ausrücken müssen“, grinste sie und entschwand mit dem Fuß.
Nadja
Was niemand wusste, war, dass es Nadja wie ein Blitz traf, als sie an Peter dachte. Da schoss so ein warmes Gefühl in ihre Körpermitte und blendete alles andere aus, auch den Gestank, der nicht ganz in der Tüte bleiben wollte.
An jenem Abend, als Peter sie geküsst hatte, war mit einem Mal alles Schwere von ihr abgefallen, als habe das Problem ihrer Unfruchtbarkeit kaum je existiert. Es war plötzlich ganz weit weg und nicht mehr wichtig.
Monatelang hatte sie sich geziert, war nicht mit ihm ausgegangen, weil sie befürchtet hatte, es könne etwas zwischen ihnen entstehen, das kaputtging, wenn er erst um ihren Makel wusste.
Auf der einen Körperseite sowieso nur mit einem inkompletten Eierstock gesegnet, verlor sie den zweiten vollständig in einer Schwangerschaft, die weder geplant, noch gewollt, noch am richtigen Ort stattfand. Aber sie lebte noch, und das war ein Wunder, denn der Eileiter platzte mit dem Wachsen der unvermuteten Frucht. Nadja wäre
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