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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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hatte und einem FedEx-Boten gegenüberstand, der ihm ein Paket und ein Klemmbrett in die Hand drückte. Joe kritzelte seine Unterschrift auf das Formular und schloss die Tür.
    Es war die Gray-Akte. Joe riss die Plastikhülle auf und zog die Akte heraus. Er starrte darauf – ein Packen Blätter in einer schlichten braunen Aktenmappe. Eine Akte, in der Arztberichte, Steuererklärungen und persönliche Unterlagen abgeheftet wurden – und Scheidungsurkunden. Auf Papier gedruckte und in Akten abgelegte menschliche Schicksale.
    Diese Akte hier bedeutete für Joe mehr, als er ertragen konnte. Er starrte darauf, entdeckte einen blauen Anhang hinten in der Mappe, schlug ihn auf und überflog eine lange Namenliste. Ein Name war umrandet.
    Jetzt hatte er es schwarz auf weiß. Wie Danny es liebte. Schwarz auf weiß.
    Oran Butler wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Er fasste sich an die Kehle und spuckte Tomatensauce auf den Küchenboden. Ein Klumpen Mozzarella und Pilze schossen aus seinem Mund. Oran ließ sich auf einen Stuhl sinken und atmete langsam ein und aus. Dann nahm er das Pizzastück, das vor ihm auf dem Tisch lag, und warf es in den Spülstein.
    Richie kam aus dem Wohnzimmer. »Alles in Ordnung?«, fragte er und betrachtete die Spritzer auf dem Küchenboden.
    »Der verflixte Belag ist mir im Hals stecken geblieben«, knurrte Oran.
    »Ich mach das sauber, kein Problem«, sagte Richie und zeigte auf den Boden.
    »Das dachte ich mir«, sagte Oran.
    Richie hatte den Schrubber bereits in der Hand.
    »Übrigens, morgen wird dein spezieller Freund uns den Marsch blasen«, sagte Oran.
    »Von wem sprichst du?«
    »Detective O’Connor. Der Chef der Drogenfahndung hat diese Woche frei, darum lässt O’Connor sich dazu herab, mit den Beamten vom Rauschgiftdezernat Jagd auf Dealer zu machen.«
    »Echt?«, sagte Richie. »Das wird dir sicher gefallen.«
    »Nicht, wenn ich jeden Abend nach Hause komme und du dich hier nach ihm verzehrst.«
    Joe fuhr in hohem Tempo die Waterford Road hinunter. Sein Verstand war jetzt vollkommen klar. Er spürte das Adrenalin durch seine Adern strömen und gab sich dem Wunsch hin, immer weiter und weiter zu fahren, bis alles hinter ihm lag und Anna wieder zu Hause war.
    Nachdem er den Jeep am Kai geparkt hatte, nahm Joe sein Handy und steuerte auf die Buchhandlung Fingleton’s zu. Von der belebten Straße aus betrachtet, hätte man den Eindruck gewinnen können, es handle sich um ein Ladenlokal durchschnittlicher Größe, doch Fingleton’s erstreckte sich über drei Etagen.
    Joe ging in die Abteilung für Naturgeschichte und suchte das einzige verfügbare Buch über Wüstenbussarde heraus. Auf dem Cover waren zwei der Raubvögel abgebildet, wie sie auf dem Ast eines Baumes saßen und nach Beute Ausschau hielten. Mit zittriger Hand blätterte Joe das Buch durch, betrachtete die Fotos und Skizzen und überflog wahllos ein paar Abschnitte. Der Verfasser des Buches war ein Falkner. Joe war erstaunt, dass ein Vogel zuerst das Interesse eines Falkners, dann eines Verbrechers und jetzt eines Cops erregte. In den Text vertieft, stand Joe ein paar Minuten da, hin und her gerissen zwischen Erleichterung und wachsender Panik.
    Duke Rawlins saß auf dem weißen Holzstuhl. Das fahle Licht der Tastaturbeleuchtung von Annas Handy fiel auf sein Gesicht. Er rief verschiedene Menüs auf. Schließlich drückte er auf eine kleine rote Taste, worauf die Anzeige auf dem Display erlosch.
    Anna, an Händen und Füßen gefesselt, lag auf der Seite und starrte auf die Wand des Schlafzimmers. Sie wusste, dass das Bauernhaus fernab aller Wohngebiete lag, denn sie hatte stundenlang geschrien, bis ihre Kehle wund war, ohne dass jemand darauf reagiert hätte. Jetzt war sie erschöpft, aber nicht so sehr, als dass sie in Gegenwart dieses Mannes hätte schlafen können.
    Anna hielt die Augen geschlossen, um die völlige Dunkelheit aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Es gab keine Häuser in der Nähe, keine Straßenlaternen, kein einziges Licht, das ihre Hoffnung auf Rettung hätten nähren können.
    Shaun wartete in der Diele, als Joe nach Hause kam. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Hoffnung und Furcht. Er schaute auf den Beutel in Joes Hand.
    »Warst du einkaufen?«, fragte er.
    Joe wickelte die Plastiktüte um das Buch. »Recherche.«
    »Mom ist noch nicht zurück.«
    »Damit habe ich auch nicht gerechnet.«
    »Findest du das denn nicht seltsam? Sie ist noch nie abgehauen.«
    »Nein, ich finde es nicht seltsam. In

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