Schattenturm
Haus zurück.
»Bis auf das Bett wäre das alles«, sagte Donnie.
»Darum kümmere ich mich schon.«
»Aber nicht allein«, widersprach Donnie.
»Doch. Rauch dir eine«, sagte Duke und stieg im Eiltempo die Treppe hinauf.
Donnie zuckte mit den Schultern, zog eine Schachtel Marlboro aus seiner Jeans und suchte sich ein schattiges Plätzchen auf dem Hof. Durch das Fenster blickte er auf Duke, der sich mit der Matratze abquälte.
»Ich kann dir helfen, sobald ich aufgeraucht habe«, rief er.
»Ich komme schon klar«, rief Duke zurück, der die Matratze aufs Bett fallen ließ. Dann verschwand er und tauchte zwei Minuten später mit einer Säge auf.
»Hast Recht«, sagte Donnie, als er das Schlafzimmer betrat. Er blickte auf die Trümmer des Bettes und der Matratze. »Ich glaube, das Bett hätten wir sowieso nicht durch die Tür gekriegt.«
Duke warf die Säge zu Boden.
»Was ist mit der Salbe für meine Schulter?«, fragte Donnie.
»Ach ja. Im Badezimmer.«
Duke öffnete den Schrank und nahm eine flache Tube heraus, die fast gänzlich aufgerollt war. Duke drückte etwas Salbe auf die Fingerspitze und drehte Donnies Schulter ins Licht. Donnie zog seinen Bauch ein und betrachtete sich im Spiegel an der Tür.
»Was ist?«, fragte er und verrenkte sich fast den Hals.
»Ich bin dabei«, sagte Duke und strich die Salbe vorsichtig auf die Wunde, nahm wieder die Tube und drückte noch etwas Salbe heraus. Donnie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Duke trat einen Schritt zurück. Seine zitternde Hand schwebte über Donnies Lendenwirbeln.
27.
Nach dem Duschen fühlte Joe sich erfrischt. Als er an die zahlreichen Tabletten dachte, die er geschluckt hatte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Beinahe wäre ihm die Kontrolle entglitten. Er wickelte sich ein Handtuch um die Hüften und betrachtete sich im Spiegel. Er sah müde aus, doch seine Augen waren klar.
Voller Bestürzung dachte Joe an seine Amokfahrt. Er hatte Shaun allein im Haus zurückgelassen und war wie ein Verrückter durch die Gegend gerast. An die Fahrt nach Waterford erinnerte er sich kaum. Er ging ins Schlafzimmer und nahm einen Energy-Drink aus dem Schrank. Mit dem Getränk schluckte er vier Tabletten.
Sein Handy klingelte. Joe blickte aufs Display.
Die Knie wurden ihm weich.
Auf dem Display stand Annas Nummer.
»Hallo …?«
»Hi, Joe.«
Joe erstarrte, als er den texanischen Akzent hörte.
»Hallo?«, sagte Duke noch einmal. »Haben Sie Anna … meine Frau?«
»Ich weiß, wer Anna ist. Was glauben Sie?«
Joes Herz raste. Stechende Schmerzen schossen ihm durch die Brust.
»Bitte tun Sie ihr nichts.«
Duke lachte. »Nur wenn Sie mir versprechen, meinen Partner nicht abzuknallen.« Joe zögerte.
»Lassen Sie uns ein andermal darüber sprechen«, sagte Duke.
Joe hatte keine andere Wahl, als das Risiko einzugehen. »Sie müssen wissen …« Er dachte an die beiden Wörter aus der Gray-Akte. Sollte er Duke Rawlins sagen, was er wusste, oder sollte er schweigen? »Sie müssen wissen, dass meine Frau …«
»Diabetikerin ist?«, sagte Duke. »Dass sie Insulin braucht? Dass sie Medikamente braucht oder sterben muss? Wie in einem Film?«
»Nein«, sagte Joe. »Das hier ist kein Film. Es ist für uns beide sehr wichtig. Jeder von uns braucht etwas. Ich brauche Anna, meine Frau.« Seine Stimme bebte. »Und was brauchen Sie , Mr Rawlins?«
Er hörte, wie Duke das Handy aus der Hand legte und spöttisch applaudierte. Nach ein paar Sekunden meldete er sich wieder.
»Sie haben Ihre Lektion gelernt. ›Mr Rawlins‹ … das gefällt mir. Aber ich hätte Ihre Frau nicht entführt, wenn ich sie Ihnen sofort wieder zurückbringen würde. Wo läge da der Sinn?«
»Geht es Anna gut?«, fragte Joe. »Bitte, lassen Sie mich mit ihr sprechen.«
»Ich soll Sie grüßen, hat sie gesagt«, erwiderte Duke. »Ach nee, doch nicht.«
»Sagen Sie mir, was Sie brauchen, und ich beschaffe es Ihnen«, sagte Joe. »Ich versprech’s.«
»Was ich brauche? Das ist meine Sache. Was Sie brauchen, ist viel interessanter. Darum geht es mir in erster Linie.«
»Ich verstehe nicht …«, sagte Joe.
»Wenn das alles hier vorbei ist, ist es mir egal, ob Sie verstehen oder nicht, Detective. Und es wird vorbei sein. Es ist eine Sackgasse. Und es ist scheißegal, wie Sie dastehen, wenn wir am Ende der Straße angekommen sind.«
»Lassen Sie mich mit meiner Frau sprechen.«
»Nein.«
»Kann ich sie sehen?«
»Kommen Sie in fünf Minuten zum Parkplatz
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