Schattenturm
nach Hause kamen.« Seine Augenlider waren schwer.
»Ist alles in Ordnung, Dad? Bist du … Hast du getrunken?«
»Nein, Shaun. Habe ich nicht.«
»Was ist mit Mom?«, fragte Shaun.
»Sie ist weggegangen.«
»Wohin? Hatte sie eine Verabredung?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber es könnte sein, dass sie sauer auf mich ist.«
»Warum?«
»Das betrifft nur deine Mutter und mich.«
Shaun runzelte die Stirn. »Auf mich war sie jedenfalls nicht sauer. Mir hätte sie gesagt, wenn sie weggehen würde.«
»Vielleicht auch nicht.«
»Was sollen wir jetzt tun, Dad?«
»Ich kümmere mich schon darum. Du gehst zur Schule. Wenn du nach Hause kommst, ist sie bestimmt wieder da.«
»Ich würde lieber hier bleiben … Ich könnte auf sie warten … Mir geht’s nicht gut.« Er drückte den Kopf aufs Kissen.
Joe stand auf und riss die Decke weg. Shaun stöhnte und rollte sich wie ein Baby zusammen.
Joe schüttelte den Kopf. »Du bist ein Loser, weißt du das?«
Frank saß am Schreibtisch und fragte sich, was O’Connor heute Morgen eigentlich gewollt hatte. Er hatte ihm ein paar Fragen nach den Fortschritten bei den Ermittlungen gestellt, hatte dann die Hände in die Taschen gesteckt und aufs Meer gestarrt. Statt ihm neue Erkenntnisse zu liefern, hatte der Detective aus Waterford ihn beleidigt. Frank spürte, dass er errötete. Er hoffte, dass O’Connor seine Worte nicht aus Überzeugung, sondern aus Wut gesagt hatte, oder weil er jemanden beeindrucken wollte.
Später hatte Frank herausgefunden, dass der Anruf Superintendent Brady gegolten hatte. Und der schätzte es nicht, wenn man schlecht über jemanden redete. Vielleicht hatte O’Connor darüber nachgedacht, als er aufs Meer gestarrt hatte.
Frank wickelte sein Butterbrot aus und klappte es auf. Schinken mit Senf. Das war ein kleiner Trost. Doch bevor er in das Butterbrot biss, rief er jemanden an, der sich bestimmt über seinen Anruf freute.
»Dr. McClatchie, hier Sergeant Frank Deegan aus Mount-cannon.«
»Oh. Hallo.«
»Ich wollte mich nur rasch bei Ihnen melden. Ich dachte, es interessiert Sie, um was es sich bei den Splittern in Katie Lawsons Schädel handelt. Sie sagten doch, Sie würden niemals etwas erfahren.«
»Stimmt.«
»Die Splitter stammen vom Gehäuse einer Dünenschnecke. Vermutlich hing die Schnecke an dem Stein, mit dem Katie erschlagen wurde.«
»Nett von Ihnen, dass Sie mich darüber informieren, Sergeant. Nun, in diesem Fall würde ich sagen, dass der Leichnam transportiert wurde.«
»Ja, aber wir vermuten, dass es unmittelbar nach dem Mord geschah. Die anderen Ergebnisse der Spurensicherung haben zu keinen neuen Erkenntnissen geführt …«
»Verstehe.«
»Okay. Dann will ich Sie nicht länger stören.«
»Warten Sie. Wo ich Sie schon mal an der Strippe habe, würde ich Ihnen gern noch etwas erzählen. Eine seltsame Geschichte. Joe Lucchesi hat mich gestern aufgesucht …«
»Was sagen Sie da?«, rief Frank.
Lara nahm den Hörer vom Ohr. »Der ist bei Ihnen wohl nicht gut angeschrieben? Nun, er hat mir ein paar Fotos von Mordopfern aus den Vereinigten Staaten gezeigt und mich gefragt, ob es Übereinstimmungen zwischen diesen Fotos und Katie Lawsons Leichnam gäbe. Aber die gab es nicht, was ich ihm allerdings nicht gesagt habe. Aber es ist seltsam, dass die Wunden der Leichen aus den USA fast identisch waren mit denen des Mädchens, das ich vor drei Wochen obduziert habe … Mary Casey, dieses arme Ding aus Doon, die in der Nähe ihres Elternhauses gefunden wurde. Ich habe mir die Akte herausgesucht, und ich könnte schwören, dass die Verbrechen von ein und demselben Täter verübt wurden. Bei Mary Casey scheint er sorgloser vorgegangen zu sein, aber die Wunden sind nahezu identisch.«
»Allmächtiger!«, rief Frank.
»Ja. Joe Lucchesi hat sich ausgesprochen seltsam benommen. Als er in mein Büro kam – ein kühner Schritt, wie Sie zugeben müssen –, lag ihm sehr viel an meinem Urteil. Doch als ich ihn heute Morgen angerufen habe, interessierte ihn die Sache nicht mehr. Ich habe zu einer kleinen Notlüge gegriffen, um ihm mein plötzliches Interesse zu erklären. Vielleicht hat er es durchschaut. Auf jeden Fall sagte er, er hätte die Bilder weggeworfen, was ich seltsam fand, nachdem er zuerst die Mühe auf sich genommen hatte, bis Dublin zu fahren, um mich zu sprechen. Was halten Sie davon?«
Es klingelte dreimal kurz hintereinander. Joe eilte zur Tür. Er war so nervös, dass es einen Moment dauerte, bis er geöffnet
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