Schattenwanderer
Aufzeichnungen vermerkt. Hier, bitte!«
For schob mir die Karten von Hrad Spine zu.
»Behalt besser du sie! Versteck sie an einem sicheren Ort! Ich werde sie mir holen, bevor ich aufbreche«, bat ich ihn.
»Wie du meinst.« For nahm die Papiere wieder an sich. »Ich bin aber auch noch auf ein paar seltsame Zeilen gestoßen. Hier!« Er deutete auf ein vergilbtes Blatt.
»Was ist das?«
»Das ist Altorkisch. Ich habe mir die Mühe gemacht, es mit Hilfe des Wörterbuches zu übersetzen. Vieles ist unverständlich geblieben, die Orks drücken sich ziemlich verworren aus. Trotzdem habe ich es geschafft, wenn es vielleicht auch nicht so glatt ist, wie es sein müsste. Das ist eine Art verschlüsselte Karte. Lies!«
For reichte mir das Blatt mit der Übersetzung:
Geschaffen von einem Oger in des Schnees Weiten,
Jahrein, jahraus von Elfen streng in Grüntann bewacht,
Wird es sodann, um zu besiegeln des Friedens Zeiten,
Im Langen Winter Grok dem Feldherrn dargebracht.
Hernach durch des Ordens Macht zu Tode gekommen
In jener Stunde, als Awendum in der Schlacht obsiegt’.
Von der Toten Ruhmreichstem ins Grab genommen,
Das tief in düstern Höhlen auf alten Gebeinen liegt.
Nun ruht es in Hrad Spine, Tag um Tag, Jahr um Jahr,
Und sanft der Gräber Wind zum Totenbett hin lockt.
Doch kommt die Zeit, da liegt jedes Geheimnis bar,
Da vor der Wahrheit die Magie der Verdammten stockt.
So du kühn und flink, so du auf List dich verstehst,
So dein Schritt leicht und scharf wie kühl dein Verstand,
Wird es sein, dass all unseren Fallen du entgehst,
Wird es sein – wenn du meidest Feuer, Wasser, Land.
Eile weiter, harre nicht! Weit stehen die Flügel offen
Hinein zu des Schlummernden Raunens Ruhestatt.
Doch zeigen sich Mensch, Elf und auch Ork getroffen
Vom Wahnsinn – der auch dich in seinen Fängen hat.
Durch des Schlummernden Echos, des Dunkels Säle,
Vorbei an ihnen, den blinden Wächtern des Kaju,
Hinweg unter der Riesen Blick, der dich mit Feuer quäle,
Zu den Großen, die nach dem Kampf hier finden Ruh.
Aug in Aug sich blickend, in dichte Schatten gehüllt,
Stehen die toten Ritter und sagen kein einzig Wort,
Einem sich das Schicksal nicht durchs Schwert erfüllt,
Einem, der näher als dem Bruder ist dem Schatten dort.
Der bleichen Selena Körper kalt wie Eis
Geleitet dich zum heil’gen Totenbette,
Das lang schon nichts von Sonne weiß,
Das lang schon an des Windes eis’ger Kette.
Und vergiss nie, Fremdling, im Horn die Seele lebt.
Im Namen der Menschen es dir Kraft verleiht.
Doch niemals es die Gier der Diebe verzeiht.
Faulen wirst du im schrecklichen Dunkel für alle Zeit.
»Hmm, ja. Seltsam und unverständlich, fast unverständlich.«
»Was davon verstehst du denn, mein Schüler?«, fragte For.
Inzwischen war es draußen bereits so dunkel, dass selbst das Licht der Kerzen die hartnäckige Dunkelheit nicht zu vertreiben vermochte. Bald müsste ich mich an meine nächste Aufgabe machen.
»Was ich verstehe?« Gedankenversunken klopfte ich mit den Fingern auf den Tisch. »Offenbar habe ich mir Sagoths Rat nicht umsonst angehört. Hier wird auch eine Selena erwähnt, die jemanden geleitet, und Sagoth hat mir empfohlen, keinen Fuß auf die Selena zu setzen.«
»Aha«, brummte For und kratzte sich am Kinn.
Dann hüstelte er und schenkte sich Wein aus einer verstaubten Flasche ein. Er bot auch mir davon an, doch ich lehnte ab, denn ich musste heute Nacht einen kristallklaren Kopf behalten.
»Die Erwähnung dieser Selena ist mir auch aufgefallen. Mit diesem Gedicht sollte ich mich wohl noch ein wenig befassen. Zeig es auch der Elfin, sie muss die alte Sprache der Orks kennen. Aber obwohl so vieles unverständlich ist, dürfen wir doch davon ausgehen, dass vom Horn des Regenbogens die Rede ist. Hier zum Beispiel: ›Geschaffen von einem Oger in des Schnees Weiten‹, das ist doch über das Horn gesagt, darüber, wie die Schamanen der Oger dieses letzte Artefakt ihrer Rasse geschaffen haben, bevor sie den Verstand verloren. Dann weiter: ›Jahrein, jahraus von Elfen streng in Grüntann bewacht.‹ Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die uralte Geschichte, dass das Oberhaupt aus dem Haus der Schwarzen Rose in die Öden Lande eingefallen ist. Bei diesem Feldzug haben die Elfen den Ogern das Horn abgenommen. Die nächsten beiden Zeilen sind auch verständlich: ›Wird es sodann, um zu besiegeln des Friedens Zeiten / Im Langen Winter Grok dem
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