Schattenwanderer
bog, lief ich buchstäblich einer Schar höfischer Matronen in die Arme, die ihre herzallerliebsten Töchterlein spazieren führten. Der Narr machte im Laufen eine makellose Verbeugung, würdig, in sämtliche Bücher der Etikette aufgenommen zu werden, und schlüpfte durch die bauschenden Röcke hindurch. Ich lächelte den Damen ehrerbietig zu, machte damit jedoch keinen Eindruck auf sie. Genauer gesagt, ich machte schon einen – doch nicht den, den ich hatte machen wollen. Die Damen von Welt rümpften ihre Nasen von Welt, als stinke ich wie eine Latrine. Dabei waren doch sie es, die stanken. Das scharfe Aroma ihrer Duftwässer hätte mich beinahe ohnmächtig werden lassen. Nach meinem Dafürhalten mussten diese Ladys in eine Wanne mit Parfüm getaucht sein und ein ganzes Jahr in ihr zugebracht haben.
»Euer Erlaucht«, wandte sich der Narr an mich, der sich bereits zum anderen Ende des Ganges vorgekämpft hatte – weshalb er natürlich durch den ganzen Palast brüllen musste, damit ich ihn verstand. »Wie lange soll ich denn noch auf Euch warten, Herzog? Schwingt die Hufe!«
Kaum hatten die Hofdamen gehört, dass ich ein Herzog war, änderten sie ihre Meinung über meine Person grundlegend. Die gerümpften Näslein glätteten sich, auf einigen Gesichtern malte sich gar ein kokettes Lächeln. Weder mein uneleganter Aufzug noch das Veilchen in meinem Gesicht stießen sie länger ab. Ich war ein Herzog, und einem Herzog verzeiht man alles. Ich lächelte noch einmal untertänig und sprang an ihnen vorbei. Bei diesen höfischen Matronen musste man auf alles gefasst sein: Sie benebeln dir den Kopf mit ihren Duftwässern und verheiraten dich, derweil du ohnmächtig bist, mit ihrem liebreizenden Töchterchen, das natürlich bar jeden Verstandes ist. Und dann erkläre man ihnen einmal, dass der Narr sich lediglich einen Scherz erlaubt hat und man gar kein Herzog ist. Im besten Fall spießt einen der Herr Papa mit dem Schwert auf, um die ach so heilige Ehre seines Geschlechts zu wahren.
Der Narr trippelte ungeduldig neben einer massiven weißen Flügeltür mit Goldeinlagen, welche die Jagd auf einen Oburen darstellten. Neben der Tür standen reglos sechs Gardisten. In der Zeit, die ich brauchte, um zu ihnen zu gelangen, brachte der Narr es fertig, einem der Soldaten ins Bein zu kneifen, einem anderen die Zunge herauszustrecken und einen Angriff auf die Lanze eines Dritten zu unternehmen. Kurz und gut, der Kobold trieb mal wieder seinen Schabernack. Die Gardisten zuckten nicht einmal mit der Wimper, schließlich standen sie Ehrenwache. In ihren Augen las ich freilich den deutlichen Wunsch, die kleine Schlange zu vermöbeln, sobald die Wachablösung kam.
Als der Narr mich heraneilen sah, beendete er seine Albernheiten und öffnete die Tür. »Garrett, was starrst und staunst du so!«, rief er fröhlich.
Leicht gesagt! Schließlich betrat ich zum ersten Mal den Thronsaal. Er war groß, so groß, dass in ihm alle Adligen des Königreichs Platz fänden, pferchte man sie nur ordentlich zusammen. Aber ernsthaft: Im Thronsaal konnte man ohne Weiteres eine Parade proben. Zumindest der Kavallerie.
Rechter Hand befanden sich etwa zehn Yard hohe Fenster, die sich vom Boden bis zur Decke zogen. Der Fußboden war mit weißen und schwarzen Kacheln gefliest. Weit, weit vorn stand der Königsthron. Im Saal befand sich bis auf zwei Gardisten der Ehrenwache neben dem Thron niemand.
»Hast du mir nicht gesagt, der König lese gerade den Höflingen die Leviten?«, fragte ich Kli-Kli und verstummte prompt.
Meine Stimme hallte um das Zehnfache verstärkt durch den Saal. Das ging natürlich nicht ohne Magie vonstatten. Selbst wenn man leise sprach, hörte einen jeder Mensch an jeder beliebigen Stelle im Thronsaal.
»Hab ich gesagt. Ja und? Gibst du so viel auf das Wort eines Narren?«, kicherte der Kobold und lauschte dem Echo nach.
Der Narr beschäftigte sich mit einer – seinem koboldigen Dafürhalten nach – äußerst wichtigen Angelegenheit: Er hatte das linke Bein angezogen und hüpfte auf dem rechten über die weißen Fliesen des Bodens, wobei er versuchte, die schwarzen nicht zu berühren.
So durchquerten wir den Thronsaal, Kli-Kli auf einem Bein, ich gemessenen Schrittes und gegen die Verlockung ankämpfend, den ausgelassenen grünen Kerl zu erwürgen. Der Narr hüpfte bis zum Thron, der mit dem Rest des Saals förmlich verschmolz. Kein Gold, keine Rubine, keine wertvollen und extravaganten Intarsien, wofür beide Imperien
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