Schattenwanderer
überließen den Verwundeten der Obhut ihrer beiden Kameraden und verfolgten die Fliehenden.
Einer der beiden davoneilenden Männer blieb stehen und reckte die Arme gen Himmel, fing an, sich um sich selbst zu drehen und gleichzeitig hin und her zu torkeln. Die Gardisten wechselten vom Lauf in den Schritt über und näherten sich vorsichtig den beiden Unbekannten, da sie einen schrecklichen Zauber fürchteten. Da brach der Mann sein wahnsinniges Gekreisel plötzlich ab und warf die Arme scharf in die Richtung der Soldaten. Mit dieser Geste schleuderte er die Gardisten genauso zur Seite wie Kinder es mit ihren Strohpuppen tun.
Beim Dunkel! Das war ein echter Schamane!
Als Antwort auf seine Magie schossen aus den oberen Stockwerken des Palastes silbrige Blitze. Ich fiel zu Boden und versuchte, das vielfarbige Karussell anzuhalten, das sich vor meinen Augen drehte. Als ich wieder unbeeinträchtigt sehen konnte, existierten die Flüchtlinge bereits nicht mehr. An der Stelle, wo sie sich gerade eben noch befunden hatten, prangte jetzt ein riesiger schwarzer Kreis verbrannter Erde. An seinen Rändern lohte das Gras noch. Die zweite Einheit der Gardisten eilte ihren malträtierten Gefährten bereits zu Hilfe.
Da erklangen erneut die Hörner, um Alarm zu geben und zu den Waffen zu rufen. Vor meiner Zimmertür kam es zu unsagbarem Lärm, der Kampf tobte inzwischen bereits am Ende des Flurs, in dem mein Schlafzimmer lag. Offenbar waren die Schurken in der Überzahl. Sonst hätten ja wohl die Siegesrufe der zahlreichen Gardisten zu hören sein müssen, oder?
»Für den König! Für Stalkon! Für Vagliostrien!«, erschallte der Kampfschrei der Königsgarde.
»Für den Unaussprechlichen! Rache!«, antwortete man ihnen.
Sie waren es also, die sich zu diesem Schritt erkühnt hatten! Die Adepten des Unaussprechlichen! Diese Dreckskerle waren doch überall! Musste man inzwischen etwa schon den eigenen Onkel, der normalerweise keiner Fliege etwas zuleide tat, verdächtigen, dem Unaussprechlichen anzuhängen? Und je stärker der aufrührerische Magier wurde, desto mehr Anhänger gewann er unter den Menschen. Ich verstand diese Leute einfach nicht. Wieso taten sie das? Worauf hofften sie, wenn sie den Weg des Verrats beschritten?
Jemand hämmerte gegen meine Tür.
»Wer ist da?«, schrie ich und richtete die Armbrust auf die Tür.
»Ich bin’s, Garrett! Kli-Kli! Mach auf!«
Die Stimme klang wie die des königlichen Narren, der Kampf näherte sich rasch meiner Tür. Der kleine Kobold würde im Kampfgetümmel zerrieben werden, wenn ich nicht gleich öffnete.
Ich lief schnell zur Tür und schloss auf.
»Ich bin nicht allein!« Wie ein kleines Mäuschen schlüpfte Kli-Kli in mein Zimmer.
Ihm auf dem Fuße folgten zwei Schatten, beide kaum größer als er.
»Schließ die Tür!« Endlich hatte Kli-Kli mal eine gute Idee. »Deler, mach Licht!«
Ich drückte die Tür zu und schloss ab. Ein kleines Licht flammte auf, danach eine Fackel, die die Gesichter meiner Gäste beleuchtete. Der Narr war ohne seine Kappe mit den Glöckchen unterwegs, sein Gesicht wirkte ungewöhnlich ernst und gefasst. Die rechte Wange zierte ein kleiner Kratzer. Kli-Kli hielt mit beiden Händen ein Beil gepackt, das er vermutlich von einer Wand genommen hatte. Im Palast gab es von solchen Waffen mehr als genug. Das Beil war nach meinem Dafürhalten viel zu schwer für den Kobold.
Neben Kli-Kli stand Deler, in der einen Hand eine Fackel, in der anderen eine zweischneidige Streitaxt, deren gierige halbmondförmige Schneide auf mich gerichtet war. Im Unterschied zu dem Kobold wirkte der Zwerg durchaus nicht so, als sei er Hals über Kopf zu mir gestürzt. Er trug sogar den Hut mit der schmalen Krempe, der ein wenig an einen Topf erinnerte.
Mein dritter Gast war Hallas. So ungezwungen, als wäre er bei sich zu Hause in den Stählernen Schächten, lehnte er die Streitaxt gegen die Wand, rannte zum Fenster und spähte hinaus.
»Das ist Meister Garrett«, stellte mich Kli-Kli den beiden Wilden Herzen vor.
Deler lüftete höflich den Hut, der Gnom begnügte sich mit einem Nicken.
»Was ist geschehen, Kli-Kli?«, fragte ich den Kobold.
»Was? Was? Wir wurden überfallen! Die Kerle hatten es auf den König abgesehen, aber unsere Gardisten sind wachsam. Darauf ging die Keilerei los!«
»Und dieses Pack ist durchtrieben!«, stieß Deler hervor. »Sie haben sich Uniformen der Gardisten besorgt!«
»Und wer sind die?«
»Krebse!«, spie der Gnom förmlich aus,
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