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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Stücke gerissen. Die zweite Truppe brach zu Beginn des Frühjahrs auf. Nach dem Scheitern der ersten Expedition schickten wir mehr als hundert Mann los. Erfahrene Soldaten, acht Magier des Ordens, Unterstützung durch die dunklen Elfen, die uns durch die Wälder Sagrabas führten … Und – hol mich doch der Dämon! – wieder scheiterten wir! Achtzig Mann stiegen in die Gräber hinunter. Wieder hochgekommen ist nur einer, silbergrau wie eine Schneeeule, und völlig um den Verstand gebracht. Die Reste dieser zweiten Expedition sind vor einer Woche in Awendum eingetroffen. Alle acht Magier sind unter der Erde geblieben. Genau wie die einundsiebzig Mann, von denen mehr als die Hälfte meine Soldaten waren!«
    Ich hörte fassungslos zu. Acht Magier, wahrscheinlich nicht die schlechtesten, sowie einige Dutzend Soldaten aus der handverlesenen Königsgarde waren also ins Unbekannte vorgedrungen, in jenes dunkle Loch unter den grünen Wäldern Sagrabas, und nicht zurückgekehrt.
    »Und nun habt Ihr beschlossen, dass ein Dieb jenes eine vollbringen soll, was diese Hundert nicht zustande gebracht haben«, hielt ich fest.
    Welcher helle Kopf wohl diese Idee ausgeheckt hatte? Und vor allem: Warum? Was würde passieren, wenn ich ablehnte?
    »Was ist, wenn ich mich weigere?« Das war eine rein rhetorische Frage, wie Bruder For es nannte.
    »Baron Lonton wartet nach wie vor draußen. Er würde dich in diesem Fall in die Grauen Steine geleiten«, antwortete Alistan grinsend.
    Verstanden. Entweder riskierte ich meinen Kopf in Hrad Spine oder ich krepierte in den Grauen Steinen. Was hier vorzuziehen war, sei dahingestellt. Also musste ich wohl das Risiko eingehen, diese fünf Wahnsinnigen zu täuschen.
    »Einverstanden«, sagte ich und erhob mich. »Darf ich jetzt gehen?«
    Würden sie mir eine wirkliche Chance geben, Land zu gewinnen?
    »Selbstverständlich.« Der König winkte müde mit der Hand, sein gewaltiger Ring blitzte im Kerzenlicht auf. »Du gehst den Kontrakt also ein?«
    Daraufhin fiel ich auf den Stuhl zurück. Da hatte ich sie alle an der Nase herumführen wollen, weil ich mich für so besonders ausgekocht hielt – und war selbst über den Tisch gezogen worden.
    Der Kontrakt. Wenn ein Meisterdieb etwas in jemandes Auftrag stiehlt, schließt er einen Kontrakt ab. Dieser besiegelt das Geschäft zwischen Dieb und Auftraggeber fester als jedes Gold. Wenn ein Dieb einen Kontrakt eingeht, verpflichtet er sich, diesen zu erfüllen. Sollte ihm das nicht gelingen, muss er den Vorschuss sowie einen Teil der vereinbarten Gesamtsumme zurückzahlen. Der Auftraggeber seinerseits verpflichtet sich, den Dieb zu bezahlen, sobald dieser seine Aufgabe erfüllt hat. Sagoth achtet strikt auf die Erfüllung dieses Vertrags. Wie wir Meisterdiebe sagen: Man kann das Dunkel täuschen und sogar einen Handel mit ihm annullieren, aber Sagoth täuscht man nie. Jedem entsprechenden Versuch folgt die Strafe auf dem Fuße. Zum Beispiel indem man beim nächsten Diebstahl der Stadtwache in die kräftigen Hände fällt. Oder sich das Glück von dem nächtlichen Jäger abwendet, und er in einer dunklen und zuvor für ihn völlig ungefährlichen Gasse in ein Messer läuft. Aber auch dem Auftraggeber wird nicht verziehen, wenn er ohne triftige Gründe die Bezahlung verweigert. Bei kleinen Dieben drückt der Schutzheilige der Diebe bisweilen ein Auge zu, bei Meisterdieben, die ein hübsches Sümmchen verdienen, jedoch nie.
    Ich saß also in der Falle. Zum wiederholten Mal innerhalb weniger Tage!
    Lehnte ich den Kontrakt jetzt ab, hieße das zuzugeben, dass ich eben, als ich in die Zusammenarbeit eingewilligt hatte, gelogen hatte. In dem Fall dürfte ich geradewegs in die unbequemste Zelle der Grauen Steine mit Aussicht aufs Kalte Meer wandern. Stimmte ich jedoch zu, gäbe es kein Zurück mehr, denn der Kontrakt würde mich festnageln – es sei denn, der König überlegte es sich und wollte nicht mehr, dass ich dieses verfluchte Horn suchte. Ach, lebt wohl, ihr nächtlichen Straßen Awendums, ihr Truhen friedlich schlafender Reicher!
    »Wie sehen die Bedingungen aus?«, fragte ich Stalkon und schickte mich in mein Schicksal.
    »Bis Anfang Januar musst du das Horn des Regenbogens in die Hauptstadt gebracht haben.«
    »Die Bezahlung?«
    »Fünfzigtausend Goldmünzen.«
    Fünfzigtausend! Sicher, das war weder die berühmte Hälfte des Königreichs noch die Hand der Prinzessin aus dem Märchen – aber es gab genug Barone und Grafen, die nur ein Drittel

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