Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
Vom Netzwerk:
hatten die Wolken aus den Öden Landen den Schnee, der Wind aus dem Land hinter den Nadeln des Frosts die Kälte mitgebracht. Mitte Januar hatte das alte Weib Winter indes genug von solcherlei Grimm und beschloss, für ein paar Tage die schweren Fesseln der Kälte von Awendum zu nehmen. Gewiss, der Sommer hatte noch nicht obsiegt – aber verglichen mit der Kälte des Dezembers wirkte das Wetter fast warm. Doch wenn in diesem Jahr Awendum schon derart schwere Fröste heimgesucht hatten, was hatten dann erst die Wilden Herzen am Einsamen Riesen ertragen müssen?
    »Eh! Ergib dich, du gemeiner Ork!«, erschallte eine Kinderstimme, und ein Schneeball, der an Walder vorbeischoss, traf eine Schneeburg, die gegenüber dem Laden des Baders errichtet worden war.
    »Ergib du dich doch!«, antwortete eine beleidigte Stimme hinter dem Schneewall, und der Junge, der den Schneeball geworfen hatte, bekam im Gegenzug selbst eine Ladung ab. »Und merk dir eins: Ich bin kein Ork, sondern ein tapferes Wildes Herz!«
    »Ein Wildes Herz?!«, lachte der Knirps, der die Burg stürmte, die den Einsamen Riesen darstellen sollte. »Ein Dummkopf bist du!«
    »Selber Dummkopf!«
    Walder lächelte und ging weiter. Die Kinder spielten, nutzten den Augenblick, da der Winter ein wenig Ruhe gab und der Frost die besorgten Mütter nicht veranlasste, ihre Sprösslinge im Haus zu behalten, nah am warmen Ofen.
    Als er in die Straße der Magier einbog, hörte er jemanden rufen: »Meister Walder! Meister Walder! Wartet!«
    Er drehte sich um und erblickte einen zwölfjährigen Jungen, der auf ihn zueilte und dessen Jacke aus Schaffell sich im Laufen aufblähte. Sein Gesicht war in einer Weise ernst, die nicht seinem Alter entsprach, und von der abendlichen Kälte gerötet. Gani, so hieß der Lehrling des Erzmagiers.
    Walder hatte ihn auf der Rückreise in einem der armen Dörfer Miranuächs aufgelesen. Der Waisenjunge besaß eine magische Veranlagung, eine starke sogar, die bisher aber noch nicht zutage getreten war. Sie glühte nur wie ein schwacher Funke in ihm. Hielte man an diesen Funken jedoch ein gutes Feuerholz, so würde er es auflodern lassen. Und Walder hatte die Absicht, in nächster Zukunft das Feuer in Gani zu schüren.
    Der Erzmagier hatte noch nie einen Schüler gehabt. Bislang war sein Leben zu gefahrvoll gewesen, als dass er einen Schutzbefohlenen hätte an sich binden wollen. Doch nun hatte Walder diesen Jungen mit nach Awendum gebracht. Zu sagen, der Waisenjunge, der unter einem Großonkel gelitten hatte, sei dem Magier dankbar, hieße, gar nichts zu sagen. Gani vergötterte Walder geradezu. Obendrein erwies sich der Junge als klug und hatte noch während der Reise die Grundlagen der Arbeit mit der Luft erlernt, diesem unbeständigsten aller Elemente. Damit hatte er alle Erwartungen übertroffen. Fortan gedachte Walder jede freie Minute der Ausbildung des Jungen zu widmen, zumal er hoffte, in den nächsten zehn Jahren nicht mehr durch Siala reisen zu müssen. Er hatte genug vom Vagabundenleben. Die Geschichten über die Abenteuer des aufmüpfigen Erzmagiers und die Taten, die er im geheimen Auftrag Panaricks zum Wohle des Ordens vollbracht hatte, reichten ohnedies für einige Generationen.
    »Meister Walder!« Gani schloss zu seinem Lehrer auf. »Das habt Ihr vergessen.« Er hielt dem Erzmagier ein längliches Bündel hin.
    »Was ist das?«, fragte der Erzmagier verwundert.
    »Komische Frage, Lehrer!«, sagte Gani seufzend. Die Luft, die seinem Mund entströmte, verwandelte sich in der Kälte in kleine Dampfwolken. »Ihr wollt zu einer Versammlung des Ordens und vergesst Euern Stab! Da habe ich mir gedacht, ich bringe ihn Euch.«
    »Und warum hast du ihn in Lumpen gewickelt?«, fragte Walder schlecht gelaunt, da er sich nicht anmerken lassen wollte, wie zufrieden er mit dem Verhalten seines Schülers war.
    Er war per Gedankenpost einbestellt worden, was hieß, er hatte alles stehen und liegen zu lassen, um sich unverzüglich zur Zusammenkunft des Ordens zu begeben. Walder hatte nach der langen Reise nicht einmal sein Kabinett aufgesucht – und seinen Stab nicht ausgepackt. Im Übrigen sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Der Stab war lediglich ein Tribut an die Tradition. Er besaß keine magische Kraft, weshalb Walder das nutzlose Ding unterwegs immer zuunterst in der Tasche verstaute. Doch während er vom Viertel der Magier durch die Straße der Menschen und durch die der Schlafenden Katze eilte, hatte er schon bedauert, bei

Weitere Kostenlose Bücher