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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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hinter ihm, ebenfalls von selbst.
    »G-gib!«, zischte etwas aus dem Halbdunkel, und ein kleiner Schatten huschte auf Walder zu.
    Gänzlich ungerührt beobachtete der Erzmagier, wie der Schatten auf ihn zuschoss. Als ihn nur noch zwei Yard von Walder trennten, spannte sich die feine, an einem Halsband befestigte Kette, und das Monster flog winselnd zurück.
    »G-gib!«, erklang die Fistelstimme erneut.
    »Hau ab!«, giftete Walder verächtlich, um dann hinzuzufügen: »Sag das Zauberwort!«
    Der Schatten funkelte den Erzmagier mit großen Augen an und näherte sich ihm abermals so weit, wie es die Kette erlaubte. »Bit-te. G-gib!«
    Der Ghole trat ins Licht, setzte sich im Schneidersitz und starrte Walder mit blutroten Augen an.
    Ein kleiner Körper, nicht größer als ein Neugeborenes, mit kahlem grotesken Schädel, dickem Bauch, tellergroßen roten Augen, aschgrauer Haut und verwachsenen Armen und Beinen. Das Geschöpf rief Mitleid hervor. Ein Mitleid, das freilich nur bis zu dem Augenblick währte, da es seine wenigen kräftigen Zähne bleckte, die die morschen Knochen der Toten so vorzüglich abzunagen vermochten. An das süße, faulige Fleisch gelangte der Ghole, indem er mit seinen scharfen Krallen die Grabplatten anhob. Die Gholen, Nekrophagen und Leichenfresser. Ein einzelner Ghole war ungefährlich. Aber in der Meute … Bis heute blieb unvergessen, welches Schicksal Stunker, ein kleines Dorf an der Grenze zu Miranuäch, ereilt hatte. Eine Horde dieser kleinen und hungrigen Kreaturen hatte es ausgelöscht, ohne nach dem reichen Mahl auch nur einen einzigen Knochen zurückzulassen.
    »Hier!« Walder zog mit angewiderter Miene ein Stück Fleisch aus der Luft und warf es der Kreatur hin.
    Der Ghole sprang hoch, schnappte sich das Fleisch, stopfte sich die Speise ins Maul und verschwand wieder im Halbdunkel seines Verschlags.
    Angeekelt begab sich Walder zur Treppe, die hinauf in den Ratssaal führte. Ilio hatte ihnen Gib den Gholen beschert. Der Erzmagier hatte das Geschöpf gefangen, als es noch jung war, und den Leichenfresser an einer Kette im Turm untergebracht. Es sollte ein Scherz sein. Aber Ilio würde schon noch sehen, was er davon hatte! Wie sehr Walder auch versuchte, seinen Freund dazu zu bringen, das Monster zu töten – Erfolg war ihm nicht beschieden. Zu Walders Verwunderung stellte sich Panarick jedoch auf Ilios Seite.
    Wenn sich unsere verzückten Erzmagier nur einmal besehen würden, was diese ach so possierlichen Geschöpfe mit einem Menschen anstellen, dachte der Erzmagier, während er die Wendeltreppe erklomm.
    Walder hasste Gholen zwar inbrünstig und tötete sie bei jedweder Gelegenheit, aber mit Gib, dem Lieblingsspielzeug Ilios, musste er sich abfinden, ja, er musste die Kreatur, nachdem sie gelernt hatte zu bitten, sogar füttern, weil sie sonst anfing, Zeter und Mordio zu schreien, ganz wie ein Doralisser, dem die Hörner abgesägt werden.
    »Walder, mein Freund!« Aus dem Gang des dritten Stocks trat eine Figur im violetten Ornat des Ordens an den Erzmagier heran.
    »Ilio! Wie lange ist es her, dass …«
    »Ewig lange«, versicherte der Erzmagier. »Ziehst du immer noch durch die Welt?«
    »Amüsierst du dich immer noch mit deiner Kreatur?«, parierte Walder.
    »Jedem das Seine«, antwortete Ilio und drückte seinem Freund die Hand. »Gehen wir, der Rat wartet.«
    »Was ist passiert?«, wollte Walder wissen, während er der massiven Figur Ilios auf der Treppe weiter nach oben folgte.
    »Panarick und Semmel sind auf eine närrische Idee verfallen, die wir heute Nacht in die Tat umsetzen sollen.«
    »Eine närrische Idee?«, fragte Walder zurück.
    Bis zu diesem Tage hatte er weder den Magister noch Semmel zu denjenigen gezählt, die närrische Ideen ausbrüten.
    »Mhm«, brummte Ilio und blieb stehen, um Atem zu schöpfen. »Eine durch und durch närrische. Semmel hat in den alten Büchern der Oger geschmökert. Du weißt ja, er ist der Einzige, der dieses Kauderwelsch versteht. Und nun meint er, eine Möglichkeit gefunden zu haben, den Unaussprechlichen endgültig auszuschalten.«
    »Wie das?«
    »Och, nichts leichter als das.« Ilio bediente sich klarer Worte. »Dafür braucht man bloß den Kronk-a-Mor zu zerstören, der den Herrn Zauberer schützt.«
    »Aber …«
    »Eben«, fiel Ilio Walder ins Wort, um sodann den beschwerlichen Weg fortzusetzen, der in die Spitze des fünfstöckigen Baus führte. »Semmel hat es nicht nur geschafft, Panarick diesen Floh ins Ohr zu setzen,

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