Schattenwanderer
sondern auch Elo. Und das will was heißen, oder?«
Auf der Unterlippe kauend nickte Walder nachdenklich. Den lichten Elfen, der Semmel obendrein verachtete, zu überzeugen – das war schwer. Im Grunde unmöglich! Andererseits hatte Semmel oft genug das Unmögliche möglich gemacht.
»Und was hat er vor?«
»Nachdem der Orden in einer verstaubten Truhe das Horn des Regenbogens entdeckt hat, will er heute Nacht ein Wunder vollbringen.«
»Hört, hört«, brummte Walder skeptisch. »Und meine Rolle dabei?«
»Na, welche wohl?«, fragte Ilio mit aufrichtiger Verblüffung. »Du, mein Freund, und ich, wir sollen die Kraft dazu liefern. Hol mich doch das Dunkel!«
»Willst du damit sagen, man hat uns als wandelnde Kraftquellen hergebeten?«
»Nun sei nicht gleich eingeschnappt!« Ilio war neben der Tür stehen geblieben, die Einlegearbeiten aus den bläulichen Knochen eines Ogers zierten. »Es betrifft ja nicht nur uns. Auch Elo und O’Cart sind hergebeten worden.«
»Und Singalus, Arzis und Didra? Wird dieses Bankett ohne sie stattfinden?«, fragte Walder, den es erstaunte, dass von den neun Erzmagiern des Ordens nur sechs an der Vernichtung des Unaussprechlichen teilnehmen sollten.
»Singalus ist in Issylien. Und Arzis … du weißt, was Semmel von unserem Freund hält …«
»So viel wie ein Ork von einem Kobold«, knurrte Walder mürrisch. »Was bedauerlich ist, denn Arzis ist einer unserer stärksten Magier.«
»Mir brauchst du das nicht zu sagen. Aber man konnte ihn einfach nicht finden. Didra ist übrigens ebenfalls verschwunden, nicht einmal mit der Gedankenpost war sie aufzuspüren. Vermutlich ist sie mal wieder in Sagraba, bei den dunklen Elfen.«
»Sechs Erzmagier sollen also den Unaussprechlichen vernichten«, flüsterte Walder. »Welche Aussicht auf Erfolg kann ein solches Unterfangen haben? Warum hat Panarick nicht gewartet, bis der ganze Orden zusammentreten kann?«
»Weil Semmel ihn davon überzeugt hat, dass wir es auch zu sechst schaffen.«
»Dieser Semmel! Immer mit dem Kopf durch die Wand!«
»Und es wird von Tag zu Tag schlimmer mit ihm! Du bist jetzt anderthalb Jahre fort gewesen, oder?«
»Zwei.«
»Und Semmel hat die ganze Zeit über den Büchern der Oger gesessen. Meiner Meinung nach ist es weit ungefährlicher, einem Riesen den Kopf in die Schnauze zu stecken, als diese uralten Folianten anzufassen.« Ilio seufzte. »Da wären wir. Wollen wir es wagen?«
»Ja.« Walder zuckte die Achseln.
»Wie siehst du eigentlich aus, mein Freund«, bemerkte Ilio da. »Wenigstens die Kleidung hättest du ja wechseln können. Es ziemt sich nicht, in einem solchen Aufzug vor den Magister zu treten.«
»Er wird es verkraften«, murmelte Walder.
»Gut, deinen Aufzug mag Panarick noch verkraften. Aber was ist mit dem magischen Schild?«, fragte Ilio kichernd.
Walder hatte völlig vergessen, dass ein Teil seines Ichs nach wie vor den Schild aufrecht erhielt, mit dem er sich gegen das Schneegestöber geschützt hatte.
»Den solltest du besser auflösen«, riet Ilio. »Du weißt, wie O’Cart reagiert, wenn er bei anderen Erzmagiern eine unbegründete Verschwendung magischer Energie bemerkt!«
»Seit der Filänder dem Orden Vagliostriens beigetreten ist, misstraut er allen«, murrte Walder und stieß die Tür in den Saal des Rates auf.
Aus einer kindlichen Laune heraus beschloss er, Ilios Rat zu ignorieren und den Schild nicht aufzulösen, sondern bloß für den Blick der Anwesenden unsichtbar zu machen. Nun konnte lediglich Panarick den Schild noch sehen, und selbst er nur dann, wenn er es darauf anlegte.
Die beiden Erzmagier betraten den runden Saal, der von einigen Dutzend Fackeln beleuchtet wurde, deren zuckende Flammen fahle Schatten an die Wand warfen. Panarick duldete keine magische Beleuchtung, eine Grille, der sich die anderen Zauberer zu fügen hatten. Das Rund des Saals durchbrachen hohe, spitzbogige Fenster mit Scheiben aus dem grünen Glas der Zwerge, durch die das nächtliche Awendum zu sehen war.
In der Mitte des Raums war ein riesiger magischer Spiegel in den Boden eingelassen, der selbst bei Tage das Licht der Sterne zurückwarf. Es gab neun hohe Stühle, ihre Lehnen zierte das Wappen des Ordens, ein blauer Regentropfen, der auf ein weißes Schneefeld fällt. Fünf der neun waren leer. Nur vier Erzmagier saßen schweigend auf ihren Plätzen, voller Geduld und Würde auf die fehlenden Erzmagier wartend.
Ilio und Walder neigten zur Begrüßung ihrer Kollegen höflich den
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