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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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irgendwo zwischen Gholen und Doralissern. Erstere verspeisen ihre gefallenen Gefährten genussvoll, Letztere schenken ihren Toten nicht die geringste Aufmerksamkeit, ja, sie beerdigen sie nicht einmal. Es ist natürlich nicht besonders schmeichelhaft, die Menschheit mit den Leichenfressern oder den Ziegenmenschen zu vergleichen, aber was will man machen? Das Leben erlaubt sich bisweilen bittere Scherze.
    »War’s das?« Gigant steckte sich die funkelnden Goldmünzen in die Tasche. »Dann ab!«
    »Und was ist mit dem Dieb?«
    »Du kannst ja gern hier bleiben und auf ihn warten! Jedenfalls solange man dir nicht die Kehle durchschneidet! Oder die nächste Horde Doralisser aufkreuzt. Denen wird es ein Vergnügen sein, dich mit ihren Keulen bekannt zu machen.«
    Niemand wollte ihm widersprechen, und so zogen die Soldaten schnellen Schrittes in die Gasse ab, die sich gegenüber derjenigen befand, in die Roe und der Doralisser gerannt waren. Ich wartete, bis der immer dichter werdende Nebel ihre Schritte geschluckt hatte. Der Nebel strich jetzt über die Leichen hinweg. Fast mochte man meinen, er versuche, die Toten zu wecken und in den Kampf zu schicken. Er …
    Halt! Spar dir deine dämlichen Gedanken, Garrett! Dir steht heute noch eine lange Exkursion bevor, an Orte, an denen Untote noch die harmlosesten Geschöpfe sind. Ich lag bereits zwanzig Minuten hinter meinem Zeitplan zurück, die verfluchten Soldaten und die nicht minder verfluchten Doralisser hatten mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Das musste ich wieder aufholen. Im Sommer tagt es früh, und in vier, spätestens fünf Stunden musste ich das Verbotene Viertel wieder verlassen haben.
    Abermals hob ich das Bündel mit dem Fleisch vom Boden auf, ließ es jedoch gleich wieder fallen und fluchte erneut. Natürlich nur ganz leise. Aus der Gasse, in die Roe gerannt war, erklangen Schritte. Also wirklich! Starks Marstall erfreute sich einer größeren Beliebtheit als der Marktplatz!
    Aus der Dunkelheit trat ein einzelner Doralisser heraus. Seine Keule leuchtete blutrot. Der arme Roe war am Ende doch zu langsam gewesen. Diesen Doralisser kannte ich. Selbst wenn es für ein Menschenauge schwierig ist, sie auseinanderzuhalten – aber Doralisser mit nur einem Horn trifft man selten. Dieser Kerl hatte an der legendären Jagd vergangene Nacht teilgenommen, als ich mir Wuchjazz auf den Hals gerufen hatte.
    Der Doralisser ging an mir vorbei und blieb weniger als einen Yard von mir entfernt stehen. Der Bock bemerkte die Toten, die auf dem Boden lagen. Ich weiß nicht, wie viel er sich von dem zusammenreimte, was hier geschehen war, aber mir riss nun endgültig der Geduldsfaden, und ich beschloss, seinen Denkprozess etwas anzukurbeln.
    »Meck!«, stieß Einhorn verängstigt aus, als ich ihm die Klinge an die Kehle setzte.
    »Wirf die Keule weg, Bock!«, flüsterte ich hinter ihm.
    Der Doralisser – o Wunder! – reagierte auf das beleidigende »Bock« in keiner Weise und öffnete die Finger. Die Keule fiel polternd aufs Pflaster.
    »Braver Junge!« Ich achtete darauf, durch den Mund zu atmen.
    Einhorn war natürlich nicht Wuchjazz, doch angenehm war der Moschusgeruch, den er verströmte, auch nicht gerade.
    »Du weißt, wer ich bin?«
    Der Doralisser wollte schon losblöken, schwieg dann aber klugerweise. Ich presste ihm die Klinge fest an die Kehle. Diese Böcke sind einfach verdammt stark, und Einhorn hätte mich mit bloßen Händen zerreißen können – wenn ich ihm Gelegenheit dazu gegeben hätte.
    »Ich lockere die Klinge jetzt ein wenig, damit du mir antworten kannst. Aber wirklich nur etwas. Also keine Dummheiten!«
    Der Doralisser stieß einen Hickslaut aus, den ich als Zustimmung auffasste.
    »Also, ich wiederhole die Frage. Du weißt, wer ich bin?«
    »Nein, meck!«
    »Ich bin Garrett.«
    Sobald Einhorn die Muskeln spannte, drückte ich ihm die Klinge wieder fester gegen den Hals. »Aber, aber! Keine Dummheiten, hatte ich doch gesagt!«
    »Du hast, meck, unser Pferd! Rück es raus, meck!«, blökte der Bock, nachdem ich die Klinge abermals ein winziges Stück von seiner Kehle gelöst hatte.
    »Wer hat dir gesagt, dass ich das Pferd habe?«, fragte ich rasch.
    »Ein Mann, meck.«
    »Dass es kein Drache war, weiß ich selbst. Wer war es?«
    »Ein Mann, meck. Ein blasser.«
    »Ein blasser?«, fragte ich zurück.
    »Ja, meck.« Der Doralisser schnippte mit den Fingern, als suche er nach Worten. »Ein blasser.«
    Was zu beweisen war! Alle Spuren

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