Schattenwandler 01. Jacob
Gedanke des transformierten Dämons der Befriedigung seiner ungezügelten Lust, die besonders während des Vollmonds von Samhain überkochte. Es war etwas Ähnliches wie das, wofür Jacob seine Brüder bestraft hatte. Es war das, was die rothaarige Frau erlebt hätte, wenn es dem Vollstrecker nicht gelungen wäre, Kane unter Kontrolle zu bekommen. Aber was Kane mit dieser Frau gemacht hätte, wäre nur ein blasses Abbild dessen gewesen, was Saul, transformiert und pervertiert, wie er war, Isabella angetan hätte. Der bloße Gedanke daran ließ Jacob vor Abscheu erschauern und sein Herz schmerzhaft schneller schlagen. Er hatte Sauls geschwollenen Phallus gesehen, als er Isabella besteigen wollte. Der Vollstrecker schloss die Augen vor diesen widerwärtigen Bildern und ballte die Fäuste, während er die Erinnerung abschüttelte.
Es war einem Dämon verboten, einem unschuldigen Menschen in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen. Das war ihre eiserne Regel, und es war das Gesetz, dem, das hatte Jacob geschworen, er unter allen Umständen Geltung verschaffen würde. Selbst gegen Noahs Gelüste, sollten sie ihn einmal auf Abwege führen. Und es war ein besonderes Tabu, sich mit einem Menschen zu paaren. Menschen waren viel zu zerbrechlich für so eine flüchtige Qual. Jacob musste wieder an Isabella denken, so zart und so viel kleiner als seine eigene Art. Sex zwischen Dämonen war von einer urwüchsigen Wildheit, die oft von maßloser Gewalt geprägt war. Isabella würde unter einem derartig leidenschaftlichen Ansturm zerbrechen wie ein Zweig.
Das bedeutete nicht, dass Kane oder Gideon oder die vielen anderen, die Jacob im Laufe der Jahrhunderte hatte bestrafen müssen, besonders abnorm waren. Sie waren nur Opfer des Fluchs, der auf ihrer Gattung lastete. Die ganze Zeit, während der Heilige Mond zu Samhain und zu Beltane zunahm und wieder abnahm, kämpften die Dämonen darum, die Kontrolle über sich zu behalten. Jede Minute dieser hohen Feiertage war eine Qual, wenn sie mit Körper und Geist den Mond anheulten, der sie in den Wahnsinn trieb. Irgendwo in ihren Genen stand, dass während dieser Phasen das Bedürfnis, sich zu paaren, stärker war als alles andere. Wie ein Tier, das heiß wurde, litten sie unter einem übermächtigen Verlangen, mit dem selbst die Zivilisiertesten unter ihnen zu kämpfen hatten. Normalerweise befriedigten Dämonen sich untereinander, aber da sie mit Menschen zusammenlebten, geschah es nur allzu leicht, dass ihr Paarungstrieb fehlgeleitet wurde.
Jedes Jahr wieder jagte Jacob auch die angesehensten Älteren, die diesem Zustand zum Opfer gefallen waren. Es quälte ihn fürchterlich, den Wahnsinn in den Gesichtern zu sehen, die er so sehr schätzte. Oder die er, wie in Kanes Fall, sogar liebte.
Jacob selbst war diesem Wahnsinn nie verfallen. Selbst als junger Spund war er nie so schwach geworden, dass er nach einer Menschenfrau gelüstet hätte. Aber er war bereits vor Hunderten von Jahren volljährig geworden, und damals hatte es nicht mehr als sechs Milliarden Menschen auf dem Planeten gegeben. Trotzdem war es ihm immer schwergefallen nachzuempfinden, was an ihnen so reizvoll war. Obwohl die beiden Gattungen einander sehr ähnlich sahen, waren Dämonen und Menschen in ihrer chemischen, geistigen und intellektuellen Zusammensetzung sehr unterschiedlich. Doch einen Dämon zu fragen, warum er sich zu einem schwächeren Wesen hingezogen fühlte, während er sich gerade in quälender Leidenschaft wand, war sinnlos. Und wenn Jacob ehrlich zu sich selbst war, dann hatte es vor nicht allzu langer Zeit einen Moment gegeben, da er sich plötzlich unwiderstehlich zu einem weichen, warmen Körper mit wunderschönen, großen lavendelfarbenen Augen hingezogen gefühlt hatte.
Jacob fluchte leise und fuhr sich wieder mit den Fingern durch das Haar. Dann goss er sich einen Drink ein. Es war kein tödlicher Alkohol, zu dem er griff. Es war tierische Milch – vorzugsweise körperwarm, aber Raumtemperatur reichte auch. Ziegenmilch, Schafsmilch und auch exotischere Milchsorten, die für die Jungen von ungewöhnlicheren Tieren erzeugt wurden, hatten auf Dämonen eine so berauschende Wirkung wie Alkohol auf die Sterblichen. Die allgemein im Laden erhältliche pasteurisierte und homogenisierte Milch hatte allerdings ungefähr die gleiche Wirkung wie ein Glas Traubensaft, während etwa Giraffenmilch einem starken, gereiften Brandy glich. Der Rest war stärker oder schwächer, das hing ganz von dem Tier ab und
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