Schattenwandler 01. Jacob
Unannehmlichkeiten bereitet hatte. Aber jetzt gab es nur noch Verwirrung, Rätsel und Spekulationen.
„Ich weiß es wirklich nicht, Bella“, sagte er leise, und die Sorge über dieses Eingeständnis stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Und je weiter sich diese ganze Situation entwickelt, desto mehr begreife ich, wie wenig ich wirklich über die Dinge weiß, von denen ich bisher so vollkommen überzeugt war. Es ist schwer für einen Mann, das in den Griff zu bekommen.“
„Für eine Frau auch“, fügte sie hinzu, um ihn daran zu erinnern, dass die ganze Situation auch ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte. „Eben bin ich noch Bibliothekarin gewesen, und im nächsten Moment war ich schon Dämonenjägerin. Stell dir das mal vor.“
Er lächelte, als sie komisch die Augen verdrehte, aber er wusste, dass ihre lässig dahingesagten Worte nur ihre große Unruhe verbergen sollten. „Nachdem du mir erklärt hast, wie deine Gesellschaft dich und deine Position sieht, bin ich mir nicht so sicher, ob ich herausfinden will, wie sie auf einen menschlichen …“, dann ahmte sie Ruth perfekt nach, „… Vollstrecker reagiert.“
„Es wird Entsetzen und Unstimmigkeiten auslösen, da kann ich dir nichts vormachen, kleine Blume.“ Er strich mit dem Daumen beruhigend über ihre Wange, während er fortfuhr. „Trotzdem habe ich Vertrauen in meine Gemeinschaft. Wir sind intelligent, glauben an das Schicksal und richten uns nach unserer Philosophie und nach den Prophezeiungen. Wie unangenehm sie für uns auch sein mögen. Wir finden uns damit ab.“
Erst als er es ausgesprochen hatte, wurde ihm bewusst, dass er es auch so meinte, dass er es geradezu fühlte. Er begriff außerdem, dass er die Prophezeiung wie eine feststehende Tatsache behandelte. Es erschreckte ihn, dass es sich für ihn viel natürlicher anfühlte, sie einfach zu akzeptieren, als mit Noah darüber zu streiten. Isabella musste seine Einsicht gespürt haben, denn er fühlte, wie sie sich entspannte. Nachdenklich rieb sie ihre Lippen und ihre Nase in seiner Handfläche. Die Art, wie sie Dinge ohne jedes Vorurteil durchdachte, gehörte zu den Eigenschaften, die er so an ihr mochte. Es machte sie außergewöhnlich, und um das zu erkennen, brauchte er keine Prophezeiung.
„Warum sollte dein Volk zwei Vollstrecker brauchen? Soweit ich mitbekommen habe, machst du allein einen ziemlich guten Job. Du brauchst mich nicht.“
„Das stimmt nicht ganz“, bemerkte er, seine Stimme war leise und beherrscht. Er brauchte sie. Er brauchte sie schon lange. Aber erst jetzt begann er das zu verstehen. Trotzdem konnte er es nicht laut aussprechen, konnte sie nicht mit seinen persönlichen Bedürfnissen unter Druck setzen. Wenn sie diesen Weg wählte, dann sollte sie es nicht wegen ihm tun. Zumindest nicht nur wegen ihm.
Als er nicht weitersprach, beschloss Isabella, das Thema vorerst fallen zu lassen. Im Moment sah sie die Dinge nicht so wie er, aber das konnte sich ja mit der Zeit vielleicht ändern.
„Glaubst du, dass es stimmt? Glaubst du wirklich, ich bin diejenige, von der die Prophezeiung spricht? Und wenn ja, kannst du mir dann auch sagen, warum du das glaubst?“
„Ich dachte, das hätte ich schon getan. Immerhin hast du deswegen, soweit ich mich erinnere, beinah einen Kopfsprung in den Boden gemacht.“ Seine Stimme war voller Bedauern, und mit einer Fingerspitze berührte er vorsichtig das Pflaster auf ihrer Platzwunde.
Auch Bella hob die Hand und betastete ihre Stirn. Es fühlte sich ein bisschen wund an, aber es tat nicht so weh, wie sie erwartet hatte. Sie zog an dem Pflaster, denn sie wusste nicht, wie schwer die Verletzung war. Und noch bevor Jacob eingreifen konnte, hatte sie das Pflaster abgerissen.
Plötzlich war alles anders. Jacob wurde ganz still und spannte alle Muskeln an. Er starrte auf ihre Stirn und hielt offensichtlich den Atem an.
„Was? So schlimm?“ Unwillkürlich fasste sie wieder hin.
„Das war es. Es war eine böse Platzwunde, Bella.“ Er konnte kaum sprechen. Und er brachte die Worte fast nicht über die Lippen. Aus Angst, er würde sich irren. „Aber sie ist verheilt. Bis auf eine frische Narbe und eine Rötung ist die Wunde verheilt.“
„Tatsächlich? Oh Gott, wie lange war ich denn ohnmächtig?“
„Nur ein paar Stunden.“
Sie nahm ihre Unterlippe zwischen die Zähne und nagte fast eine Minute daran, während sie in seine unruhigen dunklen Augen blickte. „Das ist für dich ein eindeutiges Zeichen, nicht
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