Schattenwandler 01. Jacob
wahr?“
„Ist bei dir schon immer alles so schnell verheilt?“
„Nein, natürlich nicht. Bei mir verheilen Wunden wie bei jedem anderen Menschen auch.“
„Nicht mehr“, bemerkte er. „Jetzt verheilt bei dir alles genauso schnell wie bei uns.“
„Tatsächlich?“
Er sagte nichts mehr. Stattdessen griff er nach den Knöpfen ihrer Bluse, und seine langen dunklen Finger waren so geschickt mit dem weichen Satin, dass er sie bis unterhalb ihrer Brüste aufgeknöpft hatte, bevor sie auch nur blinzeln konnte. Dann fasste er nach ihrem Kragen und zog ihn zurück, um ihre Schultern zu entblößen.
Jacobs Blick, so schwarz und gefühlvoll, senkte sich auf die Stelle, wo er am Vortag sein Zeichen hinterlassen hatte. Mit dem Daumen strich er über ihre blasse, makellose Haut und suchte nach einer Rötung oder einer Unregelmäßigkeit, wo er sich gestern verewigt zu haben glaubte.
„Ja, tatsächlich“, stellte er schließlich fest und sah ihr in die erwartungsvollen Augen.
„Warum? Wieso? Bist du … irgendwie ansteckend?“
„Das glaube ich nicht“, erwiderte Jacob, und ein leises Lächeln glitt über sein Gesicht. „Wir haben im Lauf der Jahrhunderte viel Zeit mit den Menschen verbracht, aber so etwas ist noch nie vorgekommen.“
„Na, vielleicht bin ich einfach kein Durchschnittsmensch.“
„Das kann ich allerdings beschwören“, erwiderte er leise und beugte sich hinunter, um die verheilte Stelle auf ihrer Schulter zu küssen.
„Schmeichler“, sagte sie und schloss die Augen, während seine Lippen auf ihrer nackten Haut verweilten. Sein Kuss fuhr ihr durch den ganzen Körper, setzte ihre Haut in Flammen, und seine Nähe verursachte ein Ziehen in ihren Brüsten. „Eigentlich meine ich …“, brachte sie atemlos hervor, mit einer Stimme, die sie selbst kaum wiedererkannte, „… vielleicht sollte ich eine Ahnentafel zusammenstellen und herausfinden, ob ich Druiden als Vorfahren habe.“
„Das würde bestimmt nicht an die große Glocke gehängt, wenn man bedenkt, dass deine Vorfahren sich wahrscheinlich vor uns versteckt haben. Diese Zeit gehört nicht zu den glorreichsten Momenten in unserer Geschichte. Eine ganze Art zu bestrafen und auszulöschen.“ Jacob seufzte, und es war deutlich herauszuhören, wie tief er das Geschehene bedauerte.
„Das hast nicht du getan. Das haben deine Vorfahren getan. Du kannst nur versuchen, diesen Fehler wiedergutzumachen. Wenn es deiner Gattung gelingen soll, den Wahnsinn, den der Heilige Mond auslöst, zu besiegen, dann müsst ihr Druiden finden, auch wenn sie inzwischen vielleicht selten geworden sind, und sie wieder in euer Leben und in eure Kultur eingliedern. Zumindest habe ich es so verstanden.“
„Noah sieht das genauso“, stimmte Jacob ihr zu. „Aber das heißt, wir müssen Menschen in unsere Welt holen. Denn es waren offensichtlich Menschen, bei denen sie sich versteckt haben. Mit denen sie sich fortgepflanzt haben. Falls du ein lebendes Beispiel bist, meine ich. Wenn du tatsächlich ein Nachkomme der Druiden bist.“ Jacob schloss die Augen und stöhnte. Er rollte sich auf den Rücken und rieb sich die Nasenwurzel, als habe er plötzlich heftige Kopfschmerzen.
„Was?“
„Bella, wenn das herauskommt … wenn es stimmt und wenn es anerkannt wird, wie notwendig die Druiden für uns sind … und wenn Menschen dort sind, wo die Druiden sich verstecken, dann ist die Jagd auf deine Gattung eröffnet. Ich sehe es schon vor mir. ‚Aber Jacob, ich dachte, sie ist eine Druidin.‘ Wie zum Teufel soll ich damit umgehen?“
„Oh je“, murmelte Isabella, die seine Gedanken sofort nachvollziehen konnte. Es tat ihr weh, dass er so verzweifelt war. Sie spürte seine tiefe Sorge um das zukünftige Wohlergehen ihrer Art. „Aber Jacob, was ist, wenn die Natur schon für einen Ausgleich gesorgt hat? Durch mich.“ Jacob wandte den Kopf zu ihr hin. In seine unergründlichen Augen trat langsam ein Schimmer von Verstehen und auch von Hoffnung. „Ich bin …“, sie räusperte sich, weil sie die Qual in seinen Augen kaum ertragen konnte, „… ich bin gekommen, um dir zu helfen, Jacob.“
In ihrem Geist fühlte Isabella seine heftige Reaktion auf ihre Worte, auf die Erkenntnis, dass diese Möglichkeit ihn für immer verändern könnte. Plötzlich öffnete sich vor ihr ein Bereich seiner Seele, den sie bisher noch nicht betreten hatte, und sie spürte die zerklüftete Schlucht der Einsamkeit, durch die er fast sein ganzes Leben lang gegangen war. Sie war
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