Schattenwandler 02. Gideon
wenn sie nicht dieses brennende Verlangen verspürte, das sie beide teilten.
„Das weiß ich“, erwiderte er leise und strich ihr besänftigend über die Wange. Die Geste half ihr, sich wieder zu fassen und ihre heftigen Gefühle zu beruhigen.
„Du bist so mächtig, Gideon. Du bist der ehrwürdigste Urälteste der gesamten Dämonengemeinschaft früher und heute. Wie kann ich d a … Du hattest recht“, stieß sie plötzlich hervor. „Verglichen mit dir bin ich ein Kind. Was kann ich dir schon bieten, damit diese Prägung einen Sinn ergibt?“
„Eine mächtige Abstammung. Einen faszinierenden und vielschichtigen Verstand. Schönheit.“ Er beugte sich etwas vor, und sein Mund war nur noch Zentimeter von dem ihren entfernt. „Eine Prägung braucht keinen Sinn zu ergeben. Sie ist, was sie ist.“
Gideon beugte sich noch ein Stückchen weiter vor und presste seinen Mund auf ihre Lippen, als wäre es das erste Mal. Er war sofort berauscht von ihrer Hitze, von der Zartheit ihrer Lippen und von der Leidenschaft ihres Kusses. Sie nahm ihn so bereitwillig an, so ohne jeden Vorbehalt, obwohl ihr Geist ihn immer noch fürchtete. Und wieder begann das Verlangen in seiner Seele zu brennen, falls es überhaupt jemals aufgehört hatte. Er teilte dieses Gefühl mit ihr, spürte, wie sie erschrocken nach Luft schnappte, als es sie überschwemmte. Er verschlang ihren Mund und trank von ihr, seine Hände umfassten ihren Kopf, während sie tiefer und tiefer hineinsank in das heiße, alles verzehrende Spiel ihrer Zungen. Sie war wie reine Ambrosia, wie Nahrung der Götter. Wie ein scharfer Speer durchbohrte ihn das Begehren. Beherrschung? Es lag einzig und allein bei Legna. Auf einmal verstand er, wie sich diejenigen fühlen mussten, die seiner Macht unterworfen waren. Was er von ihr bekam, war elektrisierend, voller Kraft, und es war ein Heilmittel für seine selbst auferlegte Einsamkeit. Es war Balsam für seine Seele.
Legna spürte, wie sanfte Bilder in ihre Gedanken schwebten. Sie spürte, wie Gideon erkannte, was sein Alter und seine Abgeschiedenheit ihn gekostet hatten. Sie sehnte sich nach ihm, in einer Mischung aus Bedürfnis und Mitgefühl, während sie es zuließ, dass er in ihrer Aura, in ihren Berührungen und in ihrem Kuss badete. Sie vernahm Worte der Leidenschaft, die so alt waren wie die Zeit selbst. Seine Stimme in ihrem Geist war so volltönend und von dunkler Verführungskraft. Sie ermutigte, beruhigte und beschrieb ihr in eindeutigen und in sehr poetischen Einzelheiten, was ihr Kuss bei ihm bewirkte.
Als er sich schließlich von ihr löste, glänzten ihrer beider Augen wie Lametta, und sie rangen nach Luft.
Aber Gideon zwang sich, von ihr zurückzuweichen, doch er unterbrach den intensiven Augenkontakt nicht.
„Du hast Ängste“, flüsterte er rau. „Du brauchst Zeit. Ich werde dir Zeit geben, so gut ich kann, Neliss. Nelissuna. Meine Schöne.“ Bei seinen zärtlichen Worten schwirrte Legnas Kopf im Übermaß an Gefühle n – seinen und ihren. „Abe r … “, fuhr er zögernd fort, „… Beltane kommt schnell näher, und dann werde ich mich nicht von meiner ritterlichen Seite zeigen können. Kein aufeinander geprägtes Paar kann den Verlockungen dieser machtvollen Nacht der Fruchtbarkeit und Wiedergeburt widerstehen.“
„Ich weiß. Ich kenne die Geschichten“, flüsterte sie, und ihr Herz klopfte so schnell, dass es ihr eigentlich hätte aus der Brust springen müssen. „Ich bin dankbar für jede Minute, die du mir gibst, Gideon. Ic h … ich spüre die Qual, die du durch deine Verweigerung gerade durchmachst.“
„Es ist unser gemeinsamer Schmerz, Legna, so wie es unser gemeinsames Verlangen ist. Ich kann nur dankbar sein, dass noch nicht der Monat von Samhain ist. Das wäre eine unerträgliche Qual. Fast die gesamte vergangene Dekade ist es so gewesen.“
Sie nickte und fuhr ihm mit der Hand über sein schönes Gesicht. Jetzt, da sie es durfte, hatte sie plötzlich das Bedürfnis danach. Er schloss die Augen, holte tief Atem und versuchte, seine Mitte zu finden. Sie spürte, was für eine tiefe Wirkung eine so einfache Berührung auf ihn hatte. Es verblüffte sie und faszinierte sie.
Da öffnete er wieder die Augen, und weißes Feuer loderte darin.
„Schick mich nach Hause, Legna“, befahl er ihr, seine Stimme heiser von unterdrückten Emotionen.
Sie senkte zustimmend den Kopf und beugte sich vor, um einen kurzen Kuss zu erhaschen. Ihre Zähne ritzten seine Unterlippe auf, als sie
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